Soziale Politik & Demokratie

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Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 268 | 1. Dezember 2011 | Seite 3 | Zur Diskussion

Unter dem Diktat des Schuldenabbaus

„… die Anleger verlangen ausgeglichene Haushalte, und die Staaten müssen liefern“, mit diesen Worten kommentiert die bürgerlich-konservative FAZ (26.11.11), mit welchem massiven Druck auf die europäischen Regierungen die Banken und Spekulanten zu ihrer Rettung im Namen des Schuldenabbaus brutale Sozialkahlschlagprogramme erzwingen.

Im Interesse der Finanzmärkte presst die Kanzlerin Merkel im Namen des Diktats der Troika aus EZB, EU und IWF den Völkern und Arbeitnehmern Europas immer neue Milliarden für die Banken und Spekulanten ab und präsentiert ihnen die Rechnung dafür.

Doch die Arbeitnehmer und Völker können und wollen dieses Diktat der Troika, von Merkel und ihrer eigenen Regierungen nicht akzeptieren.

Ausgehend von Griechenland erfasst eine Welle von Streikbewegungen, von Generalsstreiks Portugal, Spanien, Großbritannien…. Eine Regierung nach der anderen fällt bei den Bemühungen, die Troika-Politik umzusetzen.

Als Antwort auf die durch die Bankenrettung hochschnellende Staatsverschuldung bereitet die Regierung Merkel in Deutschland eine verschärfte Politik der Deregulierung, Privatisierung und des Kaputtsparens vor. Die Schläge treffen die großen Unternehmen des Öffentlichen Dienstes Bahn, Post, Telekom… Mit den geplanten Arbeitsmarktreformen soll die Zersetzung der gewerkschaftlichen Flächentarifverträge und eine radikale Ausweitung der Billiglohnjobs vorangetrieben werden, durch die immer größere Schichten der Arbeitnehmer und Jugend zu ungeschützten Arbeitsverhältnissen, Tagelohndasein und Gelegenheitsjobs verurteilt werden.

Schon seit einiger Zeit wirkt das Diktat der Schuldenbremse zur Erzwingung des Schulden- und Defizitabbaus auf die Länder und Kommunen und erdrosselt ihre öffentlichen Haushalte, nötigt ihnen drastische Sparmaßnahmen, Lohn- und Arbeitsplatzabbauprogramme auf.

Berlin unter Schuldenbremse…

Der Hauptstadt Berlin hatte die Regierung Merkel noch vor der Neuwahl zum Abgeordnetenhaus am 18.9. einen „Konsolidierungsvertrag“ verordnet, der den Berliner Senat – unabhängig von seiner zukünftigen politischen Zusammensetzung – zur Schuldenbremse verpflichtet, überwacht durch den Stabilitätsrat. Wen erinnert das nicht an das Diktat der Troika gegenüber Portugal, Spanien, Griechenland, Italien…? Auch für die Bürger Berlins gab es nichts zu wählen – CDU, SPD, Die Linke, die Grünen, alle hatten die Einhaltung der Schuldenbremse zur Priorität erklärt.

Mit der Großen Koalition von SPD und CDU präsentiert der erneut gewählte Regierende Bürgermeister Wowereit (SPD) Berlin, das sich nach 10 Jahren des „Sparen bis es quietscht“ durch den rot-roten Senat den schändlichen Ruf „Hauptstadt der Armut“ erworben hat, ein noch schlimmeres Sozialkahlschlagprogramm.

Für diese Politik der sozialen Demontage erteilten die Wähler der CDU, der SPD und der Linken am 18.9.2011 eine scharfe Absage (die Parteien des rot-roten Senats, SPD und Die Linke verloren nach ihrem Absturz 2006 erneut Stimmen; die CDU blieb noch hinter ihrem katastrophalen Ergebnis von 2001 – nach dem Bankenskandal – zurück).

Nun klammern sich die dermaßen angeschlagene SPD und CDU in einer Großen Koalition der Verlierer aneinander, um die Bevölkerung bis zum bitteren Ende zur Kasse bitten: für Schulden, die nicht die der Bevölkerung sind; für Schulden, für die die radikale Privatisierungspolitik verantwortlich ist, die schon Mitte der 90er Jahre von der Koalition derselben CDU und SPD begonnen wurde; sowie der von der CDU unter Mitwirkung der SPD verursachte Bankenskandal, mit dem Milliarden Haushaltsgelder an die Banken und windigen Spekulanten transferiert wurden, und die Vernichtung von fast 300.000 Industriearbeitsplätzen seit 1989.

Die jährlich garantierte Schuldzinszahlung von über 2,5 Mrd. zur Bereicherung der Banken sowie die anteilige Heranziehung der Länder, also auch Berlins, zur Finanzierung der milliardenschweren Rettungsschirme wie EFSF lassen den Schuldenberg weiter anwachsen.

… und Spardiktat

Der Preis: die Zahl der Beschäftigten des Landes Berlin wird weiter abgebaut, die Sozialausgaben werden „stärkerer Kontrolle“ unterworfen. Die von den Beschäftigten geforderte Wiedereingliederung ausgegliederter Bereiche des öffentlichen Dienstes, verbunden mit der Integration in den Flächentarifvertrag, ist „zu teuer“. Sie sollen auch in Zukunft mit einem Billigtarifvertrag abgespeist werden.

Das als „Unterfinanzierung“ bezeichnete Kaputtsparen der Krankenhäuser, Schulen, des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), der Universitäten… wird fortgeschrieben.

Gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung, der Beschäftigten der S-Bahn, der eigenen Parteimitglieder und gegen Gewerkschaftsbeschlüsse will die SPD-Führung unter Wowereit mit der CDU die Berliner S-Bahn zur Ausschreibung frei geben. Die vorgesehene Hineinziehung der BVG (Straßenbahn, U-Bahn, Busse) in das Ausschreibungsverfahren bedeutet einen Angriff auf den gesamten Öffentlichen Personennahverkehr Berlins.

Doch die KollegInnen der S-Bahn halten an ihrer Forderung fest: Erhalt und Wiederherstellung der marode gesparten S-Bahn - Keine Ausschreibung, denn die bedeutet ihre Zerschlagung und den noch schnelleren Verfall unter dem Renditedruck.

S-Bahner, die ein Sofortprogramm für die Rettung der S-Bahn entwickelt haben, bereiten eine Betriebsversammlung vor, um die Einheit der KollegInnen und ihrer Gewerkschaft im Kampf für diese Forderung zu verwirklichen, um ihre Gewerkschaft, die EVG, auf die Führung dieses Kampfes zu verpflichten. Ein Gewerkschafter erklärte dazu, dass es kein Weg sein kann, wenn Gewerkschaften unter dem Druck der EU im Namen des fairen Wettbewerbs eine „sozialverträgliche“ Ausschreibung begleiten.

Nur die vereinte Mobilisierung der Kollegen des gesamten Berliner Nahverkehrs, von S-Bahn und BVG, mit ihren Gewerkschaften kann die Pläne des neuen Berliner Senats zurückweisen.

Die Erfahrungen, die die KollegInnen in Berlin machen, sind die der KollegInnen in allen Bundesländern.

Sie alle brauchen ihre Einheit im Kampf für die Erfüllung ihrer Forderungen und Rechte, die Einheit mit ihren Gewerkschaften!

Diese Fragen des Kampfes

werden in der Diskussion und dem Erfahrungsaustausch auf dem Nationalen Treffen am 10. Dezember in Berlin im Zentrum stehen.

Wir laden alle Kollegen und Kolleginnen, die sich für diese Forderungen engagieren, ein, sich in politischen Initiativen dafür zu versammeln, um gemeinsam und verstärkt diesen Kampf führen zu können. Und wir laden sie ein, sich über diese Zeitung an der Diskussion zu diesen drängenden Fragen der Arbeiterbewegung zu beteiligen.

Carla Boulboullé


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