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Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 269 | 15. Dezember 2011 | Seite 3 | Zur Diskussion

Wieso erhalten der EU-Gipfel und Kanzlerin Merkel Unterstützung von Gewerkschaftsführungen?

Durch den Mund seiner Rating-Agentur hat Wallstreet dem EU-Gipfel am 8./9.12. die Forderungen der Finanzmärkte diktiert: Sofortige ungehemmt Milliardenflutung an die Gläubiger, Banken und Spekulanten. Und „schärfere haushaltspolitische Kontrolle und härtere Sparmaßnahmen müssen beschlossen werden“. Um diese Maßnahmen gegen den wachsenden Widerstand der Völker durchzusetzen, verlange das die Integration aller wesentlichen politischen Kräfte in eine Regierung oder Politik der „Nationalen Union“ und die Integration der Gewerkschaften in diese Politik.

Merkel/Sarkozy haben auf dem Gipfel mit den 26 Regierungschefs - ohne Großbritanniens Premierminister Cameron – die Beschlüsse vorangetrieben für ein - mittelfristiges - Großangebot an weiteren Rettungsmilliarden und für die Ausstattung der EU-Institutionen mit größeren diktatorischen Vollmachten, wodurch weitere wesentliche Elemente der nationalen Souveränität und Demokratie zu Fall gebracht werden.

So soll die EU Durchgriffsrechte auf die nationalen Haushalte erhalten, die unter schärfere Kontrolle gestellt werden. Den Euro-Staaten soll eine strikte Schuldenbremse diktiert und mit harten Strafen soll gegen „Defizitsünder“ vorgegangen und der Schuldenabbau erzwungen werden.

Die Finanzmärkte hat das Ganze ziemlich unbeeindruckt gelassen. Skepsis wird lauter und die Signale weisen in tieferes Rot. Die zur Umsetzung der Troika-Diktate eingesetzten Regierungen einer Nationalen Union unter den EU - Funktionäre Monti und Papademos sehen sich direkt konfrontiert mit neuen Widerstandskämpfen, was die Skepsis der Finanzinvestoren in die Fähigkeit der europäischen Regierungen nährt, den Arbeitnehmern und Völkern immer brutalere Spardiktate abzupressen.

In dieser Situation fühlte sich der DGB-Vorsitzende Sommer mit sieben weiteren Vorsitzenden und Generalsekretären nationaler Gewerkschaftsdachverbände in Europa berufen, mit einer gemeinsamen Erklärung vom 8.12. den europäischen Regierungs- und Staatschefs des EU-Gipfels zu Hilfe zu eilen.

Sommer handelt nach der gleichen Methode wie im September, als er mit den acht Vorsitzenden der DGB-Einzelgewerkschaften an die Bundestagsabgeordneten den Aufruf richtete, dem EFSF-Milliardenrettungsschirm, verbunden mit den „strengen Sparauflagen“ zuzustimmen – nicht ohne diese dann als „einseitig“ (!) zu kritisieren.

In der jetzigen Erklärung macht Sommer mit den anderen europäischen Gewerkschaftsverantwortlichen Vorschläge für eine staatliche „absolute Garantie“ des Milliardenflusses zur Bedienung der Schulden aller Gläubiger, zur Rettung der Banken und Spekulanten. Er unterstützt die Ausstattung der EU mit weitergehenden diktatorischen Vollmachten in Richtung einer von den Gewerkschaftsführungen geforderten europäischen Wirtschaftsund Finanzregierung. Und um diese Position, die die Arbeitnehmer wie schon sein Ja zum EFSF nur mit Empörung erfüllen kann, „akzeptabel“ zu machen, schließt Sommer wiederum die Kritik an: „Deren Ziele sollten nicht nur (!) der permanente Druck auf die nationalen Haushalte und die Verschärfung der Sparpolitik sein.“ (*)

In der gemeinsamen Presseerklärung mit Bundeskanzlerin Merkel vom 13.12. bekräftigt Sommer „seitens der Gewerkschaften“ gegenüber der Bundesregierung und Kanzlerin „unsere Unterstützung“ für ihr Ringen um die Rettung des Euro, der „gemeinsamen Währung“, der „unabdingbaren“ „Stabilitätskultur und Haushaltsdisziplin“ und „für eine starke europäische Integration im Bereich der Wirtschaftsund Finanzpolitik“.

Merkel braucht – und erhält - angesichts der sich mit einer FDP am Rande des Zusammenbruchs weiter zuspitzenden Regierungskrise die volle Unterstützung der Gewerkschaftsführungen, um das doppelte Diktat der Schuldenbremse und der Krise und Wettbewerbsfähigkeit durchsetzen zu können.

So mahnt der IG Metallvorsitzende Berthold Huber auf dem letzten IG Metall-Kongress angesichts der aufziehenden Krise eine „moderate Lohnpolitik“ an. 7%, das war die Forderung der Beschäftigten in der Stahlindustrie. Es war Huber, der für den Abbruch der Streiks gesorgt hat und den Kollegen eine „Einigung“ von 2,2% Lohnerhöhung auf ein Jahr aufgezwungen hat, durch die kaum der Reallohn verteidigt werden kann.

Unter dem Diktat der Schuldenbremse hatte der rot-rote Senat in Berlin die Beschäftigten der Charité aus dem TVöD herausgebrochen und Bereiche wie Reinigung, Wachdienst, Essensversorgung, Krankentransport, Technik aus der Charité in eine eigene Gesellschaft, die CFM, ausgegliedert und zu Gunsten eines Konsortiums privater Unternehmer teilprivatisiert. Die gemeinsame Forderung aller Kollegen war: Wiedereingliederung aller Krankenhausbeschäftigten in den Flächentarifvertrag des Öffentlichen Dienstes, Rücknahme der Ausgliederung und Teilprivatisierung.

Die Kollegen mussten erleben, dass ihre ver.di–Gewerkschaftsführung durch den vorgezogenen Tarifabschluss für die ca. 13.000 Charité-Beschäftigten den gemeinsamen Kampf aller Kollegen gespalten hat.

Das erleichterte es dem Senat - unter dem Versprechen einer Angleichung an den TVöD bis 2014 - an einem Teil der Lohnkürzungen für die Kollegen der Charité festzuhalten. Vor allem aber wurde dadurch ein kampfentschlossener kleinerer Teil der 2000 Beschäftigten der CFM allein gelassen. Er sah sich gezwungen den Streik fortzuführen, der allein gelassen, unmöglich die erforderliche Kraft aufbringen konnte, die legitimen Forderungen durchzusetzen. So konnten die Kollegen mit einer „Billiglohn“-Vereinbarung abgefunden werden.

Diese Erfahrungen und Probleme, die die Kollegen in allen ihren Kämpfen machen, standen im Zentrum der Diskussion des Nationalen Treffens am 10.12. in Berlin. Die Teilnehmer, Gewerkschafter, politisch Engagierte und Sozialdemokraten haben in einer von ihnen unterzeichneten Erklärung betont:

„Wir wenden uns gegen jede Form der Einbindung unserer Gewerkschaften in diese von den Finanzmärkten erpresste Politik.

Weil die Arbeitnehmer ihre Gewerkschaften brauchen für den vereinten, organisierten Kampf, mit allen gewerkschaftlichen Kampfmitteln.“

Und sie „laden Arbeitnehmer, Gewerkschafter, Sozialdemokraten und politisch Engagierte ein, sich mit uns in politischen Initiativen zu sammeln, sie zu verstärken, um einzugreifen und den Arbeitnehmern und der Jugend in unserem Land zu helfen, ihre Einheit mit ihren Organisationen zu verwirklichen und so ihre ganze vereinte Kampfkraft zu entfalten für

Carla Boulboullé

(*) die Zitate aus der Erklärung der 8 europäischen Gewerkschaftsverantwortlichen sind Übersetzungen der französischen Originalfassung des Textes.


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