Soziale Politik & Demokratie

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Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 266 | 3. November 2011 | Seite 3 | Zur Diskussion

Durch Unabhängigkeit zur Solidarität und Einheit

„Hände weg von unseren Rechten“! „Raus mit dem IWF und der EU! Weg mit der Regierung! Das Volk nimmt sein Schicksal selbst in die Hand!“ „Nehmt euer Memorandum und haut ab, ouste !“

Die Arbeiterschaft Griechenlands, die ihre Einheit im Kampf gegen die Regierung Papandreou will, kann ihre Gewerkschaftsbünde ADADY und GSEE aus dem „politischen Konsens“ mit der Regierung für die Politik zur Rettung des Euro herauslösen. Hunderttausende folgen dem gemeinsamen Aufruf von ADADY und GSEE zum 48-stündigen Generalstreik am 19./20. Oktober.

Das griechische Volk sagt »Nein« zu dem Diktat der Troika und zur Regierung Papandreou, die dieses Diktat mit einem in seiner Brutalität einmaligen Spar- und Lohnsenkungsprogramm umsetzen will: zu den 30.000 geplanten Entlassungen im Öffentlichen Dienst; zu den drastischen Lohnkürzungen bis zu 40%; zu Artikel 37 des Spargesetzes, der die gewerkschaftlichen Tarifverträge in der Privatwirtschaft außer Kraft setzt – jeder einzelne Arbeitgeber soll den Lohn „seiner“ Beschäftigten bestimmen können!

Die griechischen Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften brauchen die Solidarität der Arbeitnehmer in ganz Europa.

Doch im Widerspruch zur Ablehnung durch die große Mehrheit der Bevölkerung haben die Gewerkschaftsverantwortlichen des DGB und seiner Einzelgewerkschaften in Deutschland mit ihrem Appell an die Bundestagsabgeordneten, dem Euro-Rettungsschirm EFSF zuzustimmen, der Regierung Merkel geholfen, diese neue Milliardenflutung für die Finanzmärkte durchzusetzen.

Und wenn die Gewerkschaftsverantwortlichen »Ja« sagen zum EFSF, d.h. zu immer neuen Rettungsmilliarden für die Banken, bekunden sie dann damit nicht eher ihre „Solidarität“ für die Banken und Spekulanten? Ist das die Aufgabe der Gewerkschaften? Ist es ihre Aufgabe, mit dem »Ja« zum EFSF Ja zu sagen zu den drakonischen Spar- und Lohnabbaudiktaten der Troika und der Regierungen gegen die griechischen Arbeitnehmer, gegen die Arbeitnehmer und Völker in Europa?

Und wenn die Gewerkschaftsverantwortlichen zur Rechtfertigung dieses Ja unter den Tischfallen lassen, dass diese Milliarden für die Banken und nicht für die griechische Bevölkerung sind, die im Gegenteil für die Rettung der Banken bluten soll, geben sie dann  damit nicht der nationalistischen Hetzkampagne - „warum sollen wir die »faulen« Griechen retten“ – Vorschub?

Der Aufruf der Gewerkschaftsverantwortlichen des DGB und seiner Einzelgewerkschaften zur Unterstützung der Politik der Troika und der Regierung Merkel stieß auf breite Empörung bei den Gewerkschaftsmitgliedern, die nicht bereit sind, die erpresserischen Anforderungen der Finanzmärkte zu akzeptieren.

„Die Delegierten des ver.di-Bundeskongresses haben ihre Solidarität mit den griechischen, spanischen, portugiesischen, irischen… Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen mit der Forderung nach Rücknahme der Sparauflagen für die südeuropäischen Schuldnerstaaten und dem Austritt der Bundesrepublik Deutschland aus dem Euro-Plus-Pakt, der alle Maßnahmen zum Sparen und Lohnabbau definiert, klar zum Ausdruck gebracht.

Nichts unterscheidet uns und unsere Interessen als Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Deutschland von denen in ganz Europa, in Griechenland, Portugal, Spanien, Frankreich, Irland, Großbritannien...“ (aus einem Flugblatt des Arbeitskreises Europa, ver.di Berlin-Brandenburg).

Solidarität heißt Solidarität mit den Arbeitnehmern und ihren Forderungen: Nein zu den Milliarden für die Banken, die die Völker und Arbeitnehmer mit Sparmaßnahmen zahlen sollen; Rücknahme der Spardiktate. Und: Streichung der Schulden, die nicht die der Völker sind. Das ist der Weg zu einem solidarischen Europa der Arbeitnehmer und der Demokratie!

Welche Regierung auch immer das Diktat des Schulden- und Defizitabbaus sowie der Wettbewerbsfähigkeit (des Unternehmerprofits) akzeptiert, macht sich zum Gefangenen der Sparmaßnahmen und des Lohnabbaus.

Genau das erlebt gerade die Bevölkerung in Berlin mit den Verhandlungen für die Bildung einer SPD/CDU-Koalitionsregierung. Egal welche Koalition, ob rot-schwarz oder rot-grün, und wie vorher schon rot-rot: unter dem Vorbehalt des Schuldenabbaus verschreiben sie der Stadt, in Folge der zunehmenden Verschuldung der öffentlichen Haushalte für die immer neuen Milliarden für Banken und Spekulanten, die anteilig auf die Länder und Kommunen abgewälzt werden, eine neue Welle verschärfter Sparpolitik.

Das prallt zusammen mit dem Willen der Beschäftigten, die an ihren berechtigten Lohnforderungen festhalten und keinerlei Lohnverzicht unter dem Diktat der „leeren Kassen“, der Haushaltskonsolidierung akzeptieren können. Die den Kampf führen gegen Privatisierung und Ausgründung, gegen die immer unerträglichere Unterfinanzierung.

Seit über 7 Wochen stehen die Beschäftigten der von der Charité ausgegründeten CFM im Streik gegen Lohndumping und Tarifflucht des Senats, für die Wiedereingliederung in die Charité, für den einen Tarifvertrag für alle an der Charité Beschäftigten. Bei 640 Millionen Euro bis 2020 liegt der dringende Sanierungsbedarf der Charité.

Immer wieder demonstrieren Lehrer und Schüler für mehr Lehrerstellen, für die Sanierung maroder Fenster, der Heizungen oder sanitärer Anlagen in ihren Schulen. 500 Erzieherinnen fehlen nach Angaben der GEW in den Kitas…

Doch es gibt nur einen Weg, um die Forderungen der Arbeitnehmer, der Jugend, zu erfüllen:

So wie die Kollegen in Berlin von ihrer Gewerkschaftsorganisation erwarten, dass sie alle gewerkschaftlichen Kampfmittel, wenn nötig auch den Streik, für die Erfüllung ihrer berechtigten Forderungen einsetzt; dass sie ihr Recht auf gewerkschaftlichen Kampf und Streik für die Verteidigung der Arbeitnehmerinteressen wahrnimmt — so wollen die Kollegen auf Bundesebene, dass sich die Gewerkschaftsführung jeder Einbindung in den politischen Konsens widersetzt. Weil sie ihre Gewerkschaft brauchen für die Organisierung ihrer Einheit im Kampf gegen die angeblich alternativlose Politik des Sparens, der Senkung der Arbeitskosten.

Das allein wird den Weg freimachen zu einem solidarischen Europa der ArbeitnehmerInnen und Völker, dasvon den Diktaten des IWF, der Europäischen Union und der Europäischen Zentralbank befreit ist und das allein von den Lebensinteressen der Bevölkerung ausgeht.

Um diese Fragen zu diskutieren und den Kampf verstärkt gemeinsam zu führen, laden Gewerkschafter und politisch Engagierte, unter ihnen Kollegen, die an dem Internationalen Meeting am 1. 10. in Paris mit Kollegen und Verantwortlichen von Arbeiterorganisationen aus verschiedenen Ländern Europas teilgenommen haben, zu einem Nationalen Treffen am 10. Dezember 2011 in Berlin ein.

Carla Boulboullé


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