Für unabhängige Arbeitnehmerpolitik • Für die soziale Einheit
„Börsen im Aufruhr, Banken am Abgrund, eine heraufziehende Rezession, dazu eine Regierung in Auflösung und ein Kontinent ohne Orientierung … das ist die Kulisse für die bislang wichtigste Woche in der Kanzlerschaft Angela Merkels.“ (Tagespiegel 26.9.2011) Es war die Woche, in der, am Donnerstag, Merkel um die Zustimmung des Bundestages zur Aufstockung und Kompetenzerweiterung des Euro-Rettungsschirms EFSF ringen musste.
Diese Krise zerreißt alle Regierungen Europas. Getrieben von den erpresserischen Forderungen des Finanzmarktes müssen sie Maßnahmen für immer neue Milliardenaufgebote ergreifen, die sie in immer kürzeren Fristen nur den noch weitergehenden Anforderungen einer verschärften Krise ausliefern. Während Widerstand und Ablehnung gegen diese Politik zunehmen und Arbeitnehmer und Völker sich gegen die brutalen Spar- und Sozialkahlschlagdiktate in immer neuen Kampfwellen erheben.
Die Aufstockung der EFSF um weitere Hunderte Milliarden Euro, für die Rettung von Banken und Spekulationsfonds treibt die Staatsverschuldung Deutschlands voran. Das setzt eine neue Offensive für verschärfte Spar- und Schuldenabbaupolitik, des Lohn- und des Sozialabbaus auf die Tagesordnung, um die arbeitende Bevölkerung für die neue Bankenrettung bluten zu lassen.
Merkels jahrelange Politik der Staatsverschuldung und Ruinierung der öffentlichen Haushalte durch gigantische Milliardenförderungen der Kapitalrendite und Konzern und der Spar- und Lohndumpingpolitik gegen die arbeitende Bevölkerung und Jugend, provoziert eine immer wütendere Ablehnung der großen Bevölkerungsmehrheit.
Die Serie von Wahlniederlagen für die beiden bürgerlichen Regierungsparteien CDU und FDP, die vernichtende Niederlage der FDP in der letzten Landtagswahl in Berlin, 10 Tage vor der Abstimmung zur EFSF und die erbärmlichen 25 %, die Schwarz und Gelb dort zusammengerechnet kassierten, zeigen den Abgrund, der sich zwischen Regierung und Volk auftut.
Die Frage der Durchsetzung der EFSF wurde zur Schicksalsfrage für die Fähigkeit der Regierung Merkel, ihre verhasste Politik fortzusetzen und die Diktate des Finanzkapitals umzusetzen, wurde zur Schicksalsfrage für das Überleben der Regierungskoalition.
Aus eigener Kraft war die Regierung unfähig, den Abgeordneten des Bundestages ein „Ja“ zur EFSF zu verordnen. Dazu bedurfte es des vollen Engagements des SPD-Führungstrios, Merkel mit dem geschlossenen „Ja“ der SPD-Fraktion zu Hilfe zu eilen und die Abgeordneten der Regierungsparteien unter Druck zu setzen. Es bedurfte des historisch beispiellosen gemeinsamen Aufrufs aller Arbeitgeberverbände an die Abgeordneten, mit „Ja“ zu stimmen. Und schließlich des gemeinsamen Aufrufs des DGB-Vorsitzenden Sommer und aller Vorsitzenden der acht Einzelgewerkschaften für das gleiche „Ja“.
Das ist der ganz große nationale Konsens: im Namen der „Rettung Europas und des Euro“, „im Interesse Deutschlands, dass davon den größten Nutzen hat“. Sie alle aber wissen, dass es hier allein um die Rettung der Interessen des Finanzkapitals geht, wofür die Souveränität der Völker, die Demokratie, die elementaren sozialen Errungenschaften der Arbeitnehmer und Völker geopfert werden müssen.
Arbeitnehmer, Gewerkschafter, politisch Engagierte und Sozialdemokraten haben seit Monaten eine Kampagne um einen Offenen Brief an die Verantwortlichen der DGB-Gewerkschaften geführt. Sie fordern eine öffentliche Erklärung der Gewerkschaftsführungen für die Verteidigung der Arbeitnehmerrechte und der Demokratie gegen die EFSF und die Aufstockung ihres Milliarden - Rettungsschirms für die Banken und Spekulanten einerseits, sowie gegen die Spar- und Lohnabbauprogramme gegen die Arbeitnehmer andererseits. Die Gewerkschaften sollten ihr Gewicht in die Waagschale werfen und die Abgeordneten, die sich auf die Arbeitnehmerrechte und Demokratie berufen, aufzufordern mit „Nein“ zu stimmen.
Delegierte des ver.di Kongresses haben für einen Initiativantrag in diesem Sinne die notwendigen über 100 Unterschriften gewonnen. Nach leidenschaftlicher Diskussion hat der ver.di Kongress die Resolution verabschiedet,
„Der Bundeskongress verurteilt die Sparauflagen für die südeuropäischen Schuldnerstaaten und fordert ihre Rücknahme.
Er fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, sich für ein sofortiges Ende der ökonomisch und sozial schädlichen Sparpolitik in den Schuldnerländern einzusetzen.
Der Bundeskongress fordert den Austritt der Bundesrepublik Deutschland aus dem Euro-Plus-Pakt.“
Mit seiner Unterschrift unter den Aufruf der Vorsitzenden der DGB-Gewerkschaften an die Abgeordneten des Bundestages, für die EFSF zu stimmen, handelt der ver.di Vorsitzende Frank Bsirske entgegen dem Mandat, das ihm der Kongress seiner Organisation erteilt hat.
Auch nach der Zustimmung zur EFSF ist der Hunger der Finanzmärkte nach immer weiteren Milliarden zur Rettung ihrer Profite und Rendite nicht gestillt. Als nächstes zur Abstimmung steht die sog. Griechenlandhilfe zur Rettung der Forderungen und opulenten Zinsgewinne für die Banken und Finanzinvestoren, für die dem griechischen Volk ein Spardiktat von noch nie da gewesener Brutalität aufgezwungen wird. Dem folgt die Abstimmung über den ESM, der spätestens ab 2013 den EFSF ablösen und endlich den Finanzmärkten einen dauerhaften, beliebig erweiterbaren Rettungsschirm garantieren soll.
Die Regierung Merkel bereitet sich darauf vor, dem deutschen Volk die Rechnung für die exorbitant steigende Staatsverschuldung - als Folge der immer neuen Milliarden aus den öffentlichen Haushalten für die Banken und Spekulanten - mit neuen, noch schärferen Sparprogrammen zu präsentieren.
Das aber macht den Kampf für die Unabhängigkeit der Gewerkschaften, für die Einheit der Arbeiterorganisationen gegen diese Spardiktate dringend notwendig.
Müssen wir nicht alle die Einladung der Herausgeber des o.g. Offenen Briefes an Arbeitnehmer, Gewerkschafter, politisch Engagierte und Sozialdemokraten unterstützen, sich in politischen Initiative zu versammeln, um verstärkt und gemeinsam den Kampf für die Verteidigung der Unabhängigkeit der Gewerkschaften fortzuführen; für das Recht auf gewerkschaftlichen Kampf und Streik für die Verteidigung der Interessen und Forderungen der Arbeitnehmer gegen arbeiterfeindliche Regierungsmaßnahmen; gegen jede Einbindung in den nationalen Konsens; für das „Nein“ des politischen Diktats des Sparens und Schuldenabbaus, des Abbaus von Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechten und des Lohns durch die Zersetzung der Flächentarifverträge?
Carla Boulboullé
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