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Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 263 | 8. September 2011 | Seite 3 | Zur Diskussion

Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern: Absage an die Politik des Schulden- und Lohnabbaus

In den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern gab es nur einen „Wahlsieger“, die Wahlverweigerer, sieht man von den fast 29.000 Proteststimmen ab, die die Grünen auf sich ziehen konnten. Berücksichtigt man die ungültigen Stimmen, die auch eine Form des Widerstands ausdrücken, lag die reale Wahlbeteiligung nur noch bei 49,4 Prozent.

Während zwar das größte Wahldebakel die Regierungsparteien der Koalition Merkels in Berlin traf („die Schwäche von Union und FDP nimmt immer dramatischere Züge an“, kommentiert Spiegel Online), hat auch die SPD nach ihren schon starken Einbußen in den Landtagswahlen 2006 erneut an absoluten Stimmen verloren; ebenso Die Linke.

Das ist die Zurückweisung der immer gleichen Politik der Spardiktate, des Schulden- und Lohnabbaus, mit der die Bevölkerung die Rechnung zahlen soll für die Ruinierung und Verschuldung der öffentlichen Haushalte durch die Milliardengeschenke an Steuern und Sozialabgaben für die Banken und Konzerne, durch die immer gigantischeren Milliarden-Rettungspakete für Banken und Spekulanten. Eine Politik, der sich sich alle Parteien und Regierungen jeder Couleur unterwerfen, nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch und den anderen Bundesländern, sowie die Bundesregierung.

Wer kann deshalb die um sich greifende Wahlverweigerung nicht verstehen, da es für die Wähler nichts mehr zu wählen gibt? Auch für die neu zu bildende Regierung in Mecklenburg-Vorpommern haben sich SPD, CDU und Linke schon auf die Fortsetzung der gleichen Politik verpflichtet. Nur ein Teil der das politische Einheitsdiktat ablehnenden Wähler kann durch Stimmabgabe für die Grünen protestieren, solange diese ihnen nicht in der Regierungsverantwortung die gleiche Politik serviert.

Sellering wird nicht müde, es als besonderes Verdienst seiner Regierung hervorzuheben, dass Mecklenburg-Vorpommern als eines der ersten Länder in Deutschland einen schuldenfreien Haushalt vorgelegt hat und die Schuldenbremse in die Landesverfassung eingepflanzt hat.

Die Bilanz dieses „strikten Sparkurses“, der bereits vor 10 Jahren noch unter dem Ministerpräsidenten der ersten rot-roten Landesregierung Deutschlands, Harald Ringstorff, forciert betrieben wurde – und für die die SPD schon 2006 einen deutlichen Stimmenverlust kassierte:

Mecklenburg-Vorpommern ist das Land mit den niedrigsten Löhnen (im Durchschnitt liegen sie nach Angaben des DGB bei etwas über 76% des Bundesdurchschnitts); 75 Prozent der unter 25-Jährigen arbeiten im Niedriglohnsektor und insgesamt 44,5% Prozent aller Beschäftigten; es hat die höchste Arbeitslosenquote in einem Flächenland; es ist das Land mit dem schlechtesten Bildungssystem, gemessen an der Zahl der Schulabbrecher; die Zahl der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst ist in acht Jahren um 8000 auf 35 000 geschrumpft; Tausende Lehrer mussten auf Zwei-Drittel-Stellen ohne Lohnausgleich wechseln, die Beamten auf ihr Weihnachtsgeld verzichten.

Doch für Sellering gibt es nur eins, Weiter so, ob mit der CDU oder der Linken: „Ziel der Landesregierung bleibt auch im Doppelhaushalt 2010/2011: Keine Neuverschuldung“, d.h. auch weiterhin und verschärft: keine Investitionen in die öffentliche Infrastruktur und Daseinsvorsorge, in die Schaffung von Arbeitsplätzen, noch weniger Mittel für eine verantwortliche Gesundheitsversorgung, keine Finanzierung des Rechts aller Jugendlichen auf qualifizierte Ausbildung und Studium und gesicherten Arbeitsplatz.

Sellering ist in der Wahl, wie auch die Linke, groß mit der Forderung nach Einführung des Mindestlohns angetreten. „Generell habe man auch nichts gegen den Mindestlohn einzuwenden“, signalisiert auch die CDU schon mal.

Mit der Forderung nach Mindestlöhnen zur „sozialverträglichen Gestaltung des Lohndumping und der Billiglöhne wollen diese Politiker davon ablenken, dass sie es sind, die mit ihrer Politik die Zersetzung der Flächentarifverträge die Entstehung und massive Ausweitung der Billigjobs und Armutslöhne betreiben.

…an die Einheits-Politik des Sparens

Der Regierende Bürgermeister in Berlin, Klaus Wowereit (SPD) will in dem „deutlichen Wahlsieg der SPD“ (!) in Mecklenburg-Vorpommern „Rückenwind für die Berlin-Wahl“ in zwei Wochen verspüren. Wowereit, der als Regierungschef des rot-roten Senats wie Sellering die immer gleiche Politik des Sparens, des Lohnabbaus und der Ausweitung des Niedriglohnsektors, wie des Arbeitsplatzabbaus im Öffentlichen Dienst verfolgt, - alles im Namen einer Politik der Haushaltskonsolidierung, die Berlin zur Hauptstadt der Armut und prekärer Beschäftigungsverhältnisse verurteilt. Die Bilanzen der beiden Länder gleichen sich.

Wer erkennt nicht in der Einheits-Politik des Sparens- und Schuldenabbaus und der Senkung der Kosten der Arbeit wie sie von der Regierung Merkel verfolgt und von Sellering ebenso wie von Wowereit auf Landesebene umgesetzt wird, das Diktat, das die Troika von EU, EZB, IWF allen Ländern Europa aufzwingt, um die erpresserischen Forderungen der Finanzmärkte zur Rettung ihrer Profite und Rendite durch immer gewaltigere Milliardenflutungen zu bedienen?

Merkel übt nicht nur massiven Druck aus, damit alle europäischen Länder - als Antwort auf die mit der Bereitstellung immer neuer Staatsmilliarden zur Rettung der Banken exorbitant steigende Staatsverschuldung - Schuldenabbau-, Spar-und Lohnabbauprogramme auf den Weg bringen. Sie bereitet alles dafür vor, auch dem deutschen Volk die Rechnung mit neuen und schärferen Spar- und Lohnabbaumaßnahmen zu präsentieren.

Die arbeitenden Bevölkerung und Jugend wendet sich ab von einer SPD, deren Führungstrio eilfertig den Forderungen der Finanzmärkte nachkommt und in logischer Konsequenz der Regierung Merkel nicht nur ihre volle Unterstützung anbietet, sondern sie darüber hinaus zu weitergehenden „unpopulären Maßnahmen“ ermutigt.

In Berlin engagieren sich Arbeitnehmer, Gewerkschafter und Sozialdemokraten für eine Kandidatur in den Abgeordnetenhauswahlen, die den Forderungen und sozialen Rechten der arbeitenden Bevölkerung und Jugend verpflichtet ist. „Keine der Forderungen (der Arbeitnehmer) kann erfüllt werden, wenn man nicht „Nein“ sagt zum Diktat des Schuldenabbaus, zu einem gnadenlosen Sparprogramm, zur Schuldenbremse. … Man muss die Schuldzinszahlungen in Frage stellen, denn sonst bleibt nur kürzen, kürzen, bei den Schulen, Kitas, Krankenhäusern…“, mit dieser Stimme tritt die sozialdemokratische Kandidatin Gerlinde Schermer für eine andere Politik an.

Bundesweit wenden sich gewerkschaftlich und politisch engagierte Arbeitnehmer mit einem Offenen Brief an die SPD-Abgeordneten, an die Abgeordneten, die sich auf die Arbeitnehmerrechte und Demokratie berufen, und fordern sie auf, den Ende September im Bundestag zur Abstimmung stehenden Rettungsschirme ESM und EFSF und dem Rettungspaket gegen Griechenland mit ihren Rettungsmilliarden für die Banken und den Spar- und Lohnabbaudiktaten gegen die Bevölkerung eine klare Absage zu erteilen.

Sie treten darüber hinaus dafür ein, dass die Interessensvertretungen der Arbeitnehmer und der Demokratie, besonders die Gewerkschaften des DGB, die Politik der Milliarden für Banken- und Spekulanten einerseits und die Diktate des Schulden, Sozial- und Lohnabbaus verurteilen und ihre Stimme für das Nein der Abgeordneten zu den „Rettungspaketen“ in die Waagschale werfen. (Weitere Informationen zu dieser politischen Initiative, zu der alle Arbeitnehmer, Gewerkschafter und politisch Engagierte eingeladen sind, über die Redaktion).

Carla Boulboullé


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