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Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 279 | 31. Mai 2012 | Seite 3 | Zur Diskussion

Ihre Angst...

„Angst breitet sich aus. Angst vor dem Abschwung. Angst, dass der China-Effekt zu Ende ist“, kommentiert die Süddeutsche Zeitung vom 25.5.2012 die nervöse Stimmung in der deutschen Wirtschaft. „Der Rückgang der Exporte in Europa mache Sorgen.“

Die Wahl in Griechenland, aber auch in Frankreich, haben besonders die exportorientierten Großunternehmen der Industrie stark verunsichert, resümiert der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn.

Angst spiegelt sich in den Prophezeiungen zahlreicher Volkswirte, dass mit einem „ungeordneten Bankrott“ und mit einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone ein totales Chaos an den Finanzmärkten drohe. Italien und Spanien würden sofort zum nächsten großen Schlachtfeld. (zit. nach Handelsblatt, 25.5.) Während FDP-Regierungsvertreter und die Banken noch über eine „Beherrschbarkeit“ der Kosten fabulieren, warnt EZB-Ratsmitglied Nowotny: „Das wären schon große massive Erschütterungen“. (FAZ, 25.5.).

Angst und Panik treibt alle Regierungen und Parteien Europas, und die Führungsorgane der EU, angesichts der überwältigenden Absage des griechischen Volkes in den Wahlen am 6. Mai an alle Parteien, die sich verpflichtet haben, das Sozialkahlschlagdiktat der Troika (aus EU, EZB und IWF) umzusetzen. Angst treibt sie angesichts ihrer Unfähigkeit, in Griechenland nochmals eine Regierung zu installieren, die das Memorandum der Troika durchpeitscht.

„Raus mit dem IWF und der EU! Weg mit der Regierung! Das Volk nimmt sein Schicksal selbst in die Hand! Nehmt euer Memorandum und hat ab!“, der Wille des griechischen Volkes, der in diesen Forderungen des Generalstreiks vom 28. Oktober zum Ausdruck kam und der schließlich zum Sturz von Papandreou (PASOK) geführt hat, bestimmt auch jetzt in den Wahlen das Nein zu dem Memorandum, das das gesamte Volk zu Hunger und sozialer Verelendung verurteilt.

Diese Angst hat auch die Regierung Merkel im Griff. Wie kann sie es leisten, die noch brutaleren Sparmaßnahmen für die Finanzierung der wachsenden Milliarden-Verschuldungen der öffentlichen Haushalte für die Rettung der Banken und des Euro, sowie die Deregulierung aller Arbeitsverhältnisse durch die Krise, der Bevölkerung aufzuzwingen?

Diese Regierung am Rande des Abgrunds, deren Spar- und Deregulierungspolitik gerade in Nordrhein-Westfalen wieder eine klare Abfuhr erfahren hat, braucht mehr denn je die Hilfe der SPD-Führung zum Erhalt ihrer Regierungsfähigkeit. Und sie braucht die Unterstützung der DGB-Führungen, die diese ihr auch grundsätzlich zugesichert hat. Darüber kann auch nicht hinweg täuschen, dass die DGB-Führung auf Grund des Widerstands in den Gewerkschaften selbst nicht mehr wie noch beim EFSF und Griechenlandpaket diese Unterstützung in spektakulären Aufrufen an die Bundestagsabgeordneten öffentlich äußern kann. Noch das Ablenkungsmanöver, sich als Vorkämpfer für ein „Wachstumspaket“ zu präsentieren, dass ESM und Fiskalpakt ergänzen soll.

Noch konnten die ver.di- und IG Metall-Führungen die Erhebung der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst und der Metall, die in ihrem Kampf für „kräftige Reallohnerhöhung“ und für die Aufhebung prekarisierter Arbeitsverhältnisse zu einem unbefristeten Flächenstreik drängten, ausbremsen. Sie konnten so einen allgemeinen Durchbruch des Kampfes gegen die Spar- und Deregulierungspolitik sowohl auf Länder, wie auf Bundesebene verhindern. Doch wie lange noch werden die Gewerkschaftsverantwortlichen des DGB diese Bewegungen, Ausdruck der wachsenden Kampfentschlossenheit der Arbeitnehmer, noch unter Kontrolle halten können?

In dieser Situation brauchen Merkel und der deutsche Imperialismus – ebenso wie alle europäischen Regierungen - unbedingt den Rückgriff auf die Diktatur der EU/Troika, um mit Hilfe der beiden neuen „nicht zu entkoppelnden“ (Schäuble) Verträge ESM und Fiskalpakt die Institutionen zu schaffen, die ihnen die diktatorischen Mittel für die Umsetzung der Politik der verschärften Schuldenbremse, einer „Super-Agenda“ - Politik bieten. Und der von der Gewerkschafts- wie der SPD-Führung geforderte „Wachstumspakt“, der den „unveränderbaren und nicht zu verhandelnden“ Fiskalpakt angeblich „sozial“ begleiten soll, hat für die EU und Merkel kein anderes Ziel, als im Namen der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit die notwendigen Strukturreformen für die Senkung der Kosten der Arbeit, die weitere Zerschlagung der Flächentarifverträge und der Schaffung eines Heeres von deklassierten Billiglöhnern für ganz Europa aufzuzwingen.

Sie brauchen die Ratifizierung dieser beiden Verträge, des ESM mit seinen „strengen Auflagen“ und des Fiskalpaktes mit der verfassungsrechtlichen Einpflanzung einer verschärften Schuldenbremse, um darauf gestützt Griechenland und alle europäischen Völker der EU/Troika-Politik unterwerfen zu können.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), bekräftigt jetzt im Hinblick auf die für den 17. Juni anberaumten Neuwahlen in Griechenland die Drohungen der Regierung Merkel und der EU, die Unterordnung Griechenlands wie auch immer erzwingen zu wollen: „Die Spar- und Reformvereinbarungen mit der Euro-Zone und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) sind nicht verhandelbar“!

Die Schande, die die SPD- und Gewerkschaftsführung auf sich laden, wenn sie heute dabei helfen, der Regierung Merkel, dem deutschen Imperialismus und allen Herrschenden in Europa mit diesen Verträgen, mit ESM und Fiskalpakt, die mörderischen Instrumente in die Hand zu geben, mit der diese die Souveränität des griechischen Volkes, die Demokratie in Griechenland auslöschen und das griechische Volk der sozialen Verelendung ausliefern wollen;

wenn sie der Regierung Merkel, allen Regierungen Europas, der Troika und der EU dabei helfen, damit die Waffen für den sozialen Krieg gegen alle Völker Europas schmieden;

wird sich diese Schande tief in das Bewusstsein der deutschen Bevölkerung und Arbeiterschaft eingraben und den Keim für die Erhebung gegen diese Führungen legen.

Die Initiative für das „Nein zum ESM und Fiskalpakt“ ruft nach ihrer Delegation zum SPD-Bundestagsabgeordneten Swen Schulz dazu auf, „die Kampagne für das Nein zu den Verträgen zu intensivieren.“ Sie schlägt vor, die DGB-Führungen mit einem neuen Offenen Brief aufzufordern, die Bundestagsabgeordneten öffentlich aufzurufen, mit Nein zu ESM und Fiskalpakt zu stimmen.“ (s. Bericht S. 4)

Kollegen, Gewerkschafter, Sozialdemokraten aus Nordrhein-Westfalen, die den Kampf gegen die Spar- und Deregulierungspolitik der Regierung Merkel und gegen ihre Umsetzung durch die SPD-geführte Regierung in NRW führen und sich engagiert für das Nein der SPD-Abgeordneten zu ESM und Fiskalpakt einsetzen, bereiten Ende Juni eine Konferenz vor, zu der sie Kollegen aus anderen Bundesländern, wie auch aus weiteren europäischen Ländern einladen, um einen Beitrag zu Koordinierung des gemeinsamen Kampfes gegen die Ratifizierung von ESM und Fiskalpakt zu leisten. (s. Bericht S. 6)

Carla Boulboullé


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