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Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 277 | 26. Apri 2012 | Seite 3 | Zur Diskussion

Ansporn zur Verstärkung der Kampagne für das Nein zu ESM und Fiskalpakt

Auf der AfA-Konferenz am 20.-22. April haben die Delegierten die von der Regierung Merkel und der EU vorangetriebene Ratifizierung der neuen europäischen Verträge ESM und Fiskalpakt ins Zentrum der Diskussion gerückt:

Schon seit Jahren werden die Arbeitnehmer in Deutschland den Schlägen der Spar- und Lohnabbaupolitik unterworfen, die nun verschärft für ganz Europa diktiert werden soll: angefangen bei Schröders zerstörerischer Agenda 2010-Politik und der Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung 2009; einer Politik der Privatisierungen, der Massenverarmung, der Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme, in das Tarifrecht und die Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte; einer Politik zugunsten der Bereicherung der Banken, Spekulanten und der Konzerne, die auf der Grundlage der Senkung der Kosten der Arbeit Rekordgewinne einfahren konnten.

Der AfA-Ehrenvorsitzende Rudolf Dreßler hat am AfA-Abend bei der Verabschiedung des bisherigen Vorsitzenden Ottmar Schreiner den traditionellen Platz der AfA im Kampf gegen die Agenda 2010 betont.

Nein zum europäischen Super-Agenda-Vertrag

Und heute ist die SPD-Führung unter Steinmeier dabei, die SPD auf die Unterstützung der Regierung Merkel bei der Durchsetzung eines europäischen Super-Agenda-Vertrages zu helfen, den sie über die Diktatur der Troika/EU Deutschland und allen Völkern und Arbeitnehmern Europas aufzwingen will.

So erklärte ein Delegierter: „Die Aufgabe der AfA, die sich in der Kontinuität ihres Kampfes gegen die Agenda 2010 versteht, ist es heute, sich für einen Aufruf an die SPD-Bundestagsabgeordneten zu engagieren: Stimmt mit Nein zu ESM und Fiskalpakt! Wie auch in den Gewerkschaften dafür zu handeln, dass die Verantwortlichen die Einheit der Arbeitnehmer und ihrer Organisationen für ein Nein zu diesen Verträgen mobilisieren.“

In dieser Situation mobilisieren sich die Arbeitnehmer für ihre Forderungen: 100.000e Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes sind für eine „kräftige Reallohnerhöhung“ in den Streik getreten - gegen die jahrelange Politik der Reallohnkürzungen. Die Beschäftigten in den ungesicherten prekären Arbeitsverhältnissen haben für ihren Kampf für die Aufhebung des Niedriglohnbereichs und die Integration in die Flächentarifverträge nach ihren Gewerkschaften gegriffen. Die IG Metall-Kollegen kündigen für Anfang Mai massive Warnstreiks an, gegen die Provokation der Unternehmer, die im Namen der Wettbewerbsfähigkeit (der Unternehmergewinne) mit Tarifflucht und Standortverlagerungen drohen. Nach jahrelang aufgezwungenem Lohnverzicht fordern die Metaller 6,5%, sowie Maßnahmen gegen die Leiharbeit, die immer mehr Beschäftigte zu Dumpinglöhnen verurteilt….

Die Gewerkschaftsvorsitzenden Michael Sommer (DGB) und Frank Bsirske (ver.di) demonstrierten ihr Engagement für die Verurteilung des Fiskalpaktes und sahen sich vor den AfA-Delegierten erstmals zu dem Aufruf an die Abgeordneten der SPD veranlasst, diesen Vertrag mit ihrer Nein-Stimme zu Fall zu bringen.

Umso mehr Unverständnis löste bei den Delegierten ihr ebenso demonstratives Schweigen zum ESM-Vertrag aus: denn damit bekräftigen sie „stillschweigend“ ihr Festhalten an ihrer mehrfach erklärten Zustimmung zum ESM, obwohl dieser die Ratifizierung des Fiskalpaktes zur absoluten Voraussetzung hat.

Die Arbeiterbewegung hat es in der Hand, die Verträge zu verhindern: Merkel braucht die Zweidrittelmehrheit im Bundestag nicht nur für den Fiskalpakt, sondern eigentlich auch für den ESM. Auf jeden Fall braucht sie die volle Unterstützung der SPD und die Tolerierung durch die Gewerkschaften, um der ablehnenden Massen die Instrumente zur Organisierung ihres Widerstandes zu nehmen.

Die Delegierten der AfA-Konferenz wurden gehindert, ihren Willen und Aufruf für das doppelte Nein gegen ESM und Fiskalpakt durch einen Konferenzbeschluss zu dokumentieren. Der neugewählte AfA-Vorsitzende Klaus Barthel hatte auf der Suche nach einem Konsens mit den Gewerkschaftsverantwortlichen einen Vorstandsantrag vorgelegt, der sich u.a. auf die Formulierung beschränkte: „Wir lehnen den Europäischen Fiskalpakt in seiner gegenwärtigen Fassung ab“. Nachdem dieser Vorstandsantrag mit 123 zu 90 Stimmen gegen den Antrag für das doppelte Nein zu ESM und Fiskalpakt angenommen worden war, erklärten mehrere Delegierte, dass sie für das Nein sind und eingreifen, aber den neugewählten Vorsitzenden nicht beschädigen wollten. Klaus Barthel hatte sich mit wenigen anderen Sozialdemokraten bei der Abstimmung zum EFSF enthalten und beim 2. Griechenlandpaket am 27.2. im Bundestag mit Nein gestimmt: „Ich bin nicht bereit, diesen Weg der Bundesregierung und der EU-Kommission mitzugehen“. Auf der Kundgebung am 29. März anlässlich der Einbringung von ESM und Fiskalpakt im Bundestag, zu der auch ver.di aufgerufen hatte, erklärte Klaus Barthel: „In der „jetzigen Fassung sind der Fiskalpakt und der ESM nicht zustimmungsfähig“.

Der Generalstreik der über 10 Millionen in Spanien (bei 16-17 Millionen Beschäftigten) zeigt den Weg: das Diktat der Troika/EU kann abgeschmettert werden. Die Regierung Rajoy, durchaus bereit, die Angriffe auf die Arbeitnehmerrechte noch zu verschärfen, sieht sich mehr oder weniger paralysiert. In vielen Ländern Europas scheiterten Regierungen, wurden geschwächt, abgewählt und gestürzt, weil sie die grausamen Sparprogramme der Troika/EU in ihren Ländern umsetzen wollten. Alle letzten Landtagswahlen wurden zu einer vernichtenden Absage an die Regierung Merkel und ihre Politik der Bedienung der Finanzmärkte, für die sie die arbeitende Bevölkerung bluten lässt.

Der mehrheitliche Wille der Delegierten der AfA-Konferenz für ein Nein gegen ESM und Fiskalpakt muss zum Ansporn werden für alle Gewerkschafter und Arbeitnehmer – in und außerhalb der SPD – die Kampagne für das Nein der Bundestagsabgeordneten zu ESM und Fiskalpakt und für einen entsprechenden Aufruf der Gewerkschaftsverantwortlichen zu verstärken.

Und sich in diesem Kampf mit den Arbeitnehmern in ganz Europa zu vereinen. Der Meinungsaustausch zwischen den Kollegen aus Spanien, Frankreich, Portugal und Deutschland auf der Konferenz in Madrid (s. Seite 12) und das Meeting für das Nein zu den Verträgen, zu dem die französische Unabhängige Arbeiterpartei Kollegen aus anderen europäischen Ländern eingeladen hat, sind ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.

Carla Boulboullé


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