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Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 273 | 23. Februar 2012 | Seite 3 | Zur Diskussion

Nein zum Verelendungsdiktat gegen das griechische Volk, zum ESM und zum Fiskalpakt

Nach dem Beschluss des Gipfels der Euro-Länder am 21.2.2012 über das zweite Griechenlandpaket konnte Merkel den 27.2. als Abstimmungstermin für dieses Paket im Bundestag endgültig festgelegen.

Dem griechischen Volk werden unter dem Diktat der Troika aus EU, IWF, EZB und der Regierung Merkel noch weitere Spar- und „Reform“-Gesetze abgepresst, wie z.B. eine nochmalige drastische Rentenkürzung von 10-12% für Renten über 1.300 Euro, und die Verpflichtung aller Parteien, die in der Nachkriegsgeschichte Griechenlands einmalig verordnete soziale Verelendungspolitik auch nach Neuwahlen im April umzusetzen.

„Diese barbarischen, antisozialen und verfassungsfeindlichen Maßnahmen“ werden wir mit allen Mitteln bekämpfen – mit dieser Erklärung haben die beiden großen Gewerkschaftsbünde GSEE und ADEDY am 10. und 11.Februar zum Generalstreik aufgerufen.

Am Tag der Abstimmung im Parlament riefen Hunderttausende auf der größten Demonstration seit dem Sturz der Militärdiktatur: „Exo i Troika“ – Troika raus!

Einerseits ließen Merkel und Schäuble täglich neue Drohungen los, um von der griechischen Regierung die Einhaltung schärfere Sparanstrengungen zu erpressen: sie bestanden mit aller Härte auf der Einrichtung eines „Sperrkontos“ für die griechischen Staatseinnahmen, um den pünktlichen und reibungslosen Abfluss der Milliarden an die Banken und Investitionsfonds zu sichern.

Über eine permanente „Task-Force“ der EU soll die Umsetzung der Sozialschlagpolitik „überwacht“ werden. Zugleich ist es die Furcht vor dem souveränen Volkswillen, die Schäuble veranlasst hat, vor den für April geplanten Parlamentswahlen in Griechenland als „sehr bedenklich“ zu warnen.

Wenn er stattdessen die Einsetzung einer „Technokratenregierung“ nach italienischem Vorbild vorschlägt, will er damit die Grundlagen der parlamentarischen Demokratie selbst zu Grabe tragen.

Für die Abstimmung über das „Griechenland- Hilfspaket“, wie über den zunächst 500-milliardenschweren ESM-Rettungsschirm und den Fiskalpakt, der in allen Euro-Ländern die strikte „Schuldenbremse“ verbindlich in Verfassungsrecht oder auf vergleichbarer Ebene in die Rechtsordnung einpflanzen soll, braucht die ohnehin krisengeschüttelte und nun durch den gegen sie erzwungenen Rücktritt des Bundespräsidenten Wulffs bis ins Mark angeschlagene Regierung Merkel die Unterstützung der SPD-Führung, sowie auch der DGB-Führung.

Steinmeier und die SPD-Fraktionsführung im Bundestag haben der Kanzlerin Merkel ihre weitere und zuverlässige Unterstützung für die Umsetzung dieser Politik signalisiert. Sie wollen erneut die SPD-Bundestagsabgeordneten unter Druck setzen, damit diese für die schamlose Bedienung der Spekulanten und Finanzmärkte zu diesen drei Paketen Ja sagen.

Getrieben von großer Sorge angesichts der wachsenden Ablehnung dieser Politik durch die arbeitende Bevölkerung in Deutschland, für die der Zusammenhang zwischen den angeblichen Milliarden „für Griechenland“, die gleich an die Banken und Spekulanten durchgereicht werden, und dem drakonischen Verelendungsprogramm für die griechische Bevölkerung direkter greifbar wird, stützt sich die Regierung Merkel auch auf die Entfesselung einer Neuauflage der Hetzkampagne gegen die „Pleite-Griechen“.

Auch bei den Bundestagsabgeordneten wächst der Widerstand: einige SPD-Abgeordnete wie der nominierte AfA-Bundesvorsitzende Klaus Barthel und der Finanzpolitiker Carsten Sieling wollen sich nicht mitverantwortlich machen lassen für eine brutale Sparpolitik, die in Griechenland die Bevölkerung auf die Straße treibt.

Derselbe Schäuble, der seine drakonischen Maßnahmen dem griechischen Volk aufoktroyiert, fordert jetzt auch für Deutschland noch weitere drastische soziale Einschnitte.

Für die neuen Milliardenströme an die Banken und Spekulanten, garantiert über die Rettungsschirme EFSF und ESM, sowie infolge der (wie auch immer versteckten) EZB-Beteiligung am Schuldenschnitt kommen Plünderungen von zig- Milliarden auf die öffentlichen Haushalte zu. Gleichzeitig soll der von der Regierung Merkel forcierte Fiskalpakt alle Euro-Ländern einem strikten Diktat des Schulden- und Defizitabbaus unterwerfen. Bei einem Schuldenstand von über 60% des BIP (was für fast alle Länder zutrifft) müssen jährlich 5% der Differenz zur 60%-Marke abgebaut werden. Das bedeutet nach Berechnungen des DGB für Deutschland zusätzliche Sparmaßnahmen von 30 Mrd. Euro. Entsprechend plant Schäuble rigorose Maßnahmen, um das von der Schuldenbremse für 2016 geforderte Ziel von 0,35% Defizit schon bis 2014 zu erreichen: gegen alle drei sozialen Sicherungssysteme, das Gesundheitssystem, die Renten- und Arbeitslosenversicherung richtet er seine Kürzungsschläge. Und Bundesarbeitsministerin von der Leyen bereitet weitere Deregulierungen des Arbeitsmarktes für verstärkte Wettbewerbsfähigkeit vor.

Unter diesem doppelten Diktat der Schuldenbremse, leeren Kassen und Wettbewerbsfähigkeit sprechen die öffentlichen Arbeitgeber wie die Unternehmer den im Tarifkampf stehenden Beschäftigten im Öffentlichen Dienst wie in der Metallindustrie das Recht auf eine „kräftige Erhöhung ihrer Löhne und Gehälter“ – nach Jahren des Reallohnverzicht – ab und drängen die Gewerkschaften zu „moderate Lohnforderungen“ und weiteren Lohnverzicht. Dagegen haben Gewerkschaftskollegen sowohl von ver.di wie der IG Metall immer wieder klar zum Ausdruck gebracht, dass sie ein Zurückweichen ihrer Gewerkschaftsführungen vor diesen Drohungen nicht akzeptieren können – sie brauchen den Lohn fürs Leben. Und wenn in dieser Situation der DGB-Vorsitzende Sommer noch immer den „Kurs der Euro-Rettung grundsätzlich unterstützen“ will, d.h. den Kurs der Milliarden für die Banken und Spekulanten und drastische Sparprogramme gegen die Arbeitnehmer, spricht er nicht im Namen der Millionen Gewerkschaftsmitglieder und der Arbeitnehmerschaft.

So haben ver.di Gewerkschaftskollegen in Berlin auf der Veranstaltung am 19. Januar erklärt, dass sich das Ja der Verantwortlichen der DGB-Gewerkschaften zum EFSF und den damit verbundenen „strengen Sparauflagen“ nicht wiederholen darf.

Die Verantwortung der Gewerkschaften als Interessensvertretung der Arbeitnehmer sei es, diese Merkel-Politik klar und deutlich zu verurteilen und die Kollegen im Kampf dagegen zu mobilisieren. Gewerkschafter, politisch Engagierte und Sozialdemokraten haben zu einer breiten Kampagne für ein Nein der Bundestagsabgeordneten zum Griechenlandpaket, ESM und Fiskalpakt aufgerufen.

SPD-Abgeordnete, die am 27.Februar dem „Griechenland-Paket“ im Bundestag zustimmen, machen sich zu Komplizen der Zerstörungspolitik von Merkel und der Troika gegen die griechischen Arbeitnehmer und das griechische Volk und gegen die Arbeitnehmer in Deutschland selbst. „Abgeordnete, die sich auf die Interessen der arbeitenden Bevölkerung und Demokratie berufen, können nur Nein sagen zum Paket gegen Griechenland, zum ESM und Fiskalpakt“.

Carla Boulboullé


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