Für unabhängige Arbeitnehmerpolitik • Für die soziale Einheit
1500 GewerkschafterInnen, politisch Engagierte und SozialdemokratInnen haben den Aufruf unserer Initiative an die SPD-Bundestagsabgeordneten „Stimmt mit Nein zu ESM und Fiskalpakt“ unterstützt, mit dem wir uns zugleich an die Gewerkschaftsverantwortlichen gewandt haben, das Gewicht der Gewerkschaften dafür in die Waagschale zu werfen. Sie haben damit dem Willen der Mehrheit der ArbeitnehmerInnen und Jugend ausgedrückt.
In allen letzten Wahlen, zuletzt am 13. Mai in NRW, haben die WählerInnen der schwarz-gelben Regierung eine massive Ablehnung erteilt: ihrer Politik der Aufbringung immer gigantischeren Milliardensummen für die Bedienung der Gläubigerbanken und Finanzinvestoren, verbunden mit der Verordnung von Spar- und Verarmungsprogrammen für die Bevölkerung.
Diese entschiedene Ablehnung erhielt schließlich eine Stimme in den Briefen der Gewerkschaftsvorsitzenden von ver.di und der GEW, Frank Bsirske und Ulrich Thöne, an die Bundestagsabgeordneten, den Fiskalvertrag abzulehnen, sowie in Stellungnahmen des DGB, Nein zu sagen zu einem Vertrag, der der „Demokratie schadet und den Sozialstaat beschädigt“ (F. Bsirske).
In der Tat ist die Ratifizierung des „ewigen“ Bankenrettungsfonds und des Fiskalpaktes nichts anderes als ein Verfassungsstreich. Werden durch sie doch die Kernbestimmungen der staatlichen Ordnung durch das Grundgesetz, die nationale Souveränität, die Demokratie, das Haushaltsrecht der Parlamente und das Sozialstaatsprinzip ausgehebelt.
Kein Abgeordneter ist als Repräsentant der parlamentarischen Demokratie legitimiert, Verträgen zuzustimmen, die die Grundprinzipien der Demokratie und des Sozialstaates aufheben und mit denen sich dieses Parlament selbst entmachtet.
Unser ganzer Respekt gehört den 23 SPD-Abgeordneten, die, gestützt auf die Stimmen der Bevölkerung und von den Gewerkschaften, mit Nein gestimmt haben.
Letztlich erreichte die Regierung Merkel, die erneut die Kanzlermehrheit verfehlte, nur mit Unterstützung der von der SPD-Führung disziplinierten Mehrheit der SPD-Fraktion die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit für den Fiskalpakt und den ESM.
Doch in der Auseinandersetzung um den Fiskalpakt ist ein Riss zwischen den Gewerkschaften und ihren Millionen Mitgliedern auf der einen Seite und der SPD-Führung deutlich geworden, der unausweichlich die Konflikte innerhalb der SPD vorantreiben wird.
Mit der Durchpeitschung beider Verträge wollte die Regierung Merkel den Finanzmärkten „liefern“:
Doch mit dieser Zustimmung konnte sich die Regierung Merkel den Finanzmärkten keineswegs als „starke“ Regierung präsentieren: haben die doch angesichts des reihenweisen Falls europäischer Regierungen kaum Vertrauen in eine Regierung Merkel, ein solches Fiskalvertrags-Diktat gegen den Widerstand der ArbeitnehmerInnen und des Volkes durchzusetzen.
Otmar Issing, ehemaliger Chefvolkswirt der EZB warnt, dass das Risiko eines Kollaps der Währungsunion nicht mehr ignoriert werden könne. Andere Wirtschaftsexperten warnen immer mehr vor dem Platzen der sich aufblähenden Blase an Garantien und Haftungssummen Deutschlands gegenüber Gläubigerbanken und Spekulanten, die schon eine Billion erreicht haben.
Die Bevölkerung erlebt schon die Auswirkung des Fiskalvertrages, der noch gar nicht endgültig ratifiziert ist, mit der Verschärfung der Sparpolitik für die Einsparung der 30 Mrd. Euro, die der Fiskalvertrag über die in Deutschland 2009 in der Verfassung verankerte Schuldenbremse hinaus vorsieht. Das betrifft besonders die soziale Infrastruktur der Länder und Kommunen.
Zudem führt die heraufziehende Rezession zu einer ersten Welle von Entlassungen und Kurzarbeit jetzt auch in der Industrie. Und im Namen der Wettbewerbsfähigkeit verstärkt sich der Druck für weitergehende Arbeitsmarktreformen, für die Senkung der Kosten der Arbeit und zur Vernichtung von Arbeitsplätzen „zur Rettung der wettbewerbsfähigen Restarbeitsplätze“.
Die ArbeitnehmerInnen können und werden es nicht akzeptieren, dass sie im Namen des Schuldenabbaus und der leeren Kassen, der Sparpolitik und Wettbewerbsfähigkeit (der Unternehmerprofite) zu Millionen in Billiglohnjobs gezwungen werden, dass ihnen Lohnkürzungen, Arbeitsplatzvernichtung und immer neue Maßnahmen der Deregulierung und Privatisierung diktiert werden sollen.
Angesichts der drohenden sozialen Unruhe und des Verschleißes der Fähigkeit der SPD-Führung, als Hilfstruppe für Merkel zu fungieren, braucht die Regierung Merkel, wie alle europäischen Regierungen, den Rückgriff auf die supranationale Diktatur der EU/Troika. Sie braucht die neuen europäischen Verträge ESM und Fiskalpakt, um die Demokratie unter dem Diktat der Schuldenbremse zu begraben, d.h. um über die diktatorischen Mittel zur Umsetzung der brutalen Politik einer verschärften Schuldenbremse, einer Super-Agenda-Politik, verfügen zu können.
Die massive Ablehnung der Politik der Regierung Merkel, die das zerstörerische Diktat des allgemeinen Sozialkahlschlags der EU/Troika umsetzen will, um die explodierenden Kosten der Krise auf die großen gesellschaftlichen Mehrheiten abzuwälzen, ist Teil der Welle der Ablehnung und Widerstandskämpfe in allen europäischen Ländern. Die Massendemonstrationen und Generalstreiks in Griechenland, Portugal und jetzt vor allem in Spanien und gegen die Memoranden und die Arbeitsmarktreformen zeigen allen Arbeitern in Europa den Weg und die Hoffnung, wie das Diktat der Troika und der EU zurückgewiesen werden kann, wie der Fiskalvertrag aufgekündigt werden kann.
Gestützt
schlagen wir vor, die Kampagne gegen die endgültige Ratifizierung, gegebenenfalls für die Rücknahme der Verträge verstärkt fortzuführen.
Wir laden alle ArbeitnehmerInnen, GewerkschafterInnen, politisch Engagierte und SozialdemokratInnen ein, sich gemeinsam für die Sammlung der breitesten Kräfte der Arbeiterbewegung und Jugend zu engagieren – für eine Kampagne für den vereinten Kampf der Arbeiterschaft und ihrer Organisationen und der Jugend gegen jede Form von Sparpolitik und Zersetzung der Flächentarifverträge und der Arbeiter- und Gewerkschaftsrechte, gegen die Entlassungen im Namen der Wettbewerbsfähigkeit. Dieser Kampf findet seine Zusammenfassung im Kampf für die Aufkündigung der beiden Verträge.
Wir schlagen außerdem vor, Anfang Dezember eine Nationale Versammlung der Kräfte des Kampfes für die Aufkündigung der zwei europäischen Verträge, ESM und Fiskalvertrag, zu organisieren.
„Es ist höchste Zeit für die Entstehung einer breiten Bewegung in ganz Europa gegen die Ratifizierung (bzw. für die Aufkündigung) des EU-Fiskalpaktes und um die von der Troika entfesselte Offensive gegen die Arbeitnehmer und Völker in unseren Ländern zurückzuschlagen.“
Vertreter der Initiative für das Nein zu ESM und Fiskalpakt haben mit eingeladen zu dem europäischen Treffen am 30. Juni in NRW.
Die deutsche Delegation hat dort den Kampf für das Nein zur Ratifizierung der Verträge und gegen die Regierung Merkel, sowie die Solidarität der Arbeiter und Gewerkschafter in Deutschland mit dem griechischen Volk und mit allen Arbeitern und europäischen Völkern im Kampf gegen die Memoranden und die Troika eingebracht.
Wir können uns auf den Beschluss der anwesenden Arbeiter- und Gewerkschaftsdelegierten und politischer Vertreter von Arbeiterorganisationen der verschiedenen europäischen Länder zum Aufbau eines wirklichen „Europäischen Verbindungskomitees“ stützen, um gemeinsam und in engerer Kooperation den Kampf gegen die Ratifizierung, bzw. für die Aufhebung des Fiskalvertrages zu führen.
Der Weg zu einem vereinten Europa kann nicht über das Pflaster des Abbaus von Demokratie und Souveränität der europäischen Völker führen, nicht über soziale Demontage und Aufhebung der Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte – zugunsten der erpresserischen Anforderungen der Finanzmärkte.
Die Wiedereroberung der Volkssouveränität und der Demokratie, die Verteidigung und Rückeroberung sozialstaatlicher Errungenschaften in jedem Land bilden die Voraussetzung für ein Europa des freien Zusammenschlusses souveräner Völker und sozial gestalteter Gesellschaften.
28. August 2012
Für die Initiative "Nein zu ESM und Fiskalpakt"
Gotthard Krupp, H.-W. Schuster
Gotthard Krupp, Berlin; E-Mail: GotthardKrupp@t-online.de; Fax: 030/3131662
H.-W. Schuster, Düsseldorf; E-Mail: grotjohann.schuster@unitybox.de; Fax: 0211/7599092