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Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 271 | 26. Januar 2012 | Seite 3 | Zur Diskussion

Unausweichlich?

24. Januar 2012: über 2.200 Beschäftigte der drei Manroland-Werke bekommen ihre Kündigung, 740 in Augsburg, 1.000 in Offenbach und 500 in Plauen. Von den derzeit 4.700 Arbeitsplätzen sollen nur etwa 2.500 bleiben. Nur für den Standort Augsburg gibt es bisher einen Käufer, die Lübecker Possehl-Gruppe. Possehl will mit der IG Metall einen Sanierungsvertrag aushandeln, der, so die IG Metall, neben den über 700 erfolgten Entlassungen eine Lohnsenkung von 8 % vorsieht. „Wir wollen eine vernünftige Rendite erzielen – und das möglichst kurzfristig“, verkündet knallhart der Sprecher von Possehl.

Die entlassenen Beschäftigten von Manroland können in eine der drei Transferfirmen wechseln, die für 6 Monate eingerichtet werden. Die Manroland-Eigentümer Allianz und MAN haben für diese Gesellschaften erbärmliche 24 Millionen Euro zugesichert. Die IG Metall-Führung, die diese „Lösung“ für die Manroland-Werke mitträgt, antwortet mit einer hilflosen Demonstration von Offenbacher Beschäftigten vor der Allianz-Niederlassung in Frankfurt/Main für eine höhere Beteiligung des Eigentümers.

Die Beschäftigten, die in die Transferfirmen übergehen, werden mit Kurzarbeitergeld (60% vom Netto) abgespeist, dass aus der Sozialkasse der Arbeitnehmer bezahlt wird. Wenn sie in dem halben Jahr keine Arbeit finden, droht ihnen der Absturz in die Arbeitslosigkeit.

Die Kollegen befürchten, dass es bei den jetzigen Entlassungen bei Manroland nicht bleiben wird, ein Ende ist nicht abzusehen.

Schon in den letzten Jahren hat, immer unter dem Diktat der Wettbewerbsfähigkeit und eines „gnadenlosen Strukturwandels“ (Handelsblatt 18.1.), des Abbaus von Überkapazitäten und der Kostensenkung, in der gesamten Druckmaschinenbauindustrie ein drastischer Arbeitsplatzabbau stattgefunden: über 2.000 Arbeitsplätze waren es bei Manroland; 3.300 bei Heideldruck und knapp 1.800 bei Koenig & Bauer. Für die Beschäftigten gab es massive Lohnkürzungen. Schon Mitte Januar dieses Jahres hat Heideldruck, das 2009 nur mit Staatshilfen überlebte, den weiteren Abbau von 2.000 Arbeitsplätzen angekündigt.

„Kein Ende der Hiobsbotschaften“ für die Branche der Druckmaschinenindustrie, schreibt das Handelsblatt. Fest steht schon jetzt, die jetzigen Entlassungen bei Manroland reichen nicht aus für die vom „Markt“ verschärft geforderten Restrukturierungsmaßnahmen, den Abbau der Überkapazitäten, in der gesamten Branche.

Sind die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft IG Metall diesen Kahlschlagprozessen ohnmächtig ausgeliefert?

Die Kollegen und deren Familien brauchen ihre Arbeitsplätze und wollen sie verteidigen. Ihr Auftrag an die Gewerkschaft als ihre Interessensvertretung ist die Organisierung des vereinten Kampfes aller Kollegen der Druckmaschinenindustrie, die sich in diesen drei Großunternehmen konzentriert, für den Erhalt aller Arbeitsplätze. Doch die IG Metall-Führung nimmt diesen Auftrag nicht an, weil sie sich damit abfindet, dass den Gewerkschaften ein gewerkschaftlich organisierter Kampf und Streik für die elementaren Interessen der Arbeitnehmer, die Verteidigung der Arbeitsplätze, nicht erlaubt ist, da das keine tariffähige Forderung sei.

… unter dem Diktat der Krise und Wettbewerbsfähigkeit?

Das gesamte Handeln der IG Metall-Führung geht davon aus, dass der Lohn- und Arbeitsplatzabbau unausweichlich sei für die dann erzielte „Wettbewerbsfähigkeit der restlichen Arbeitsplätze“, d.h. für den konkurrenzfähigen Profit und die Rendite. Sie beschränkt sich, in Einbindung in die gemeinsame Restrukturierung mit Arbeitgebern und Regierung, auf den „Kampf“ für eine „sozialverträgliche Gestaltung“ des Lohn- und Arbeitsplatz-Schrumpfungsprozesses, und sieht ihre Rolle darin, diesen Abbau zur „sozialen Akzeptanz“ zu bringen.

Die IG Metall-Führung, die die bisherige Einigung für Manroland begrüßt hat, sucht nun nach dem Verkauf von Augsburg ebenfalls eine angeblich „langfristige Lösung“ für die anderen Standortruinen, in der „Hoffnung“ auf irgendwelche Investoren.

Es ist klar, unter der Bedingung, dass der Abbau von Lohn und Arbeitsplätzen an den drei Standorten schon akzeptiert wird, kann niemals die Entgegensetzung der Kollegen der einzelnen Werke und Standorte, weder bei Manroland noch in der der gesamten Industriebranche überwunden und die Einheit aller Kollegen für die Verteidigung aller Arbeitsplätze hergestellt werden.

In dieser Situation hat IG Metall die Verantwortung der Manroland-Eigentümer, von Allianz und MAN/VW und die Verantwortung der Landesregierungen von Hessen, Bayern und Sachsen und der Bundesregierung betont, im Rahmen eines gemeinsamen Krisenmanagements von Regierung, Unternehmern und Gewerkschaft die Finanzierung des „sozialverträglichen“ Abbaus der Arbeitsplätze durchzuziehen. Eine Kreditbürgschaft von Hessen für die Sanierung des Offenbacher Werkes, die die Zustimmung der EU-Kommission braucht, steht noch aus.

Die Einbrüche in der Druckmaschinenindustrie müssen im Zeichen der beginnenden Rezession gesehen werden, wie das Handelsblatt vom 19.1. konstatiert.

Der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber, ebenso wie der Gesamtmetall-Verbandspräsident Hundt, haben in dieser Situation an Kanzlerin Merkel appelliert, ein nationales „gemeinsames Krisenmanagement“ neu aufzulegen, gestützt auf die Fortsetzung der Regelung für das erweiterte Kurzarbeitergeld. D.h. unter dem erneuten Diktat der Wettbewerbsfähigkeit und der Krise und im Namen einer „sozialverträgliche Gestaltung“: Löhnen zu kürzen, Milliarden zur Subventionierung des Unternehmerprofits aus der Sozialkasse zu plündern und 100.000e Arbeitsplätze zu vernichten.

Unausweichlich?

Gibt es keine andere Lösung als die Unterwerfung der Gewerkschaften unter die zerstörerischen Unternehmens- und Eigentümerentscheidungen, unter das Diktat der kapitalistischen Krise und Profitkonkurrenz?

Was hindert die Gewerkschaftsführung an der Erfüllung ihres Auftrags als Interessensvertretung der Arbeitnehmer, den vereinten Kampf aller Kollegen der Branche für die Verteidigung aller Arbeitsplätze unter Einsatz aller gewerkschaftlichen Kampfmittel zu organisieren?

Dafür müsste sie die richterliche Unrechtssprechung abschütteln, die dem demokratischen Grundrecht und Auftrag der unabhängigen Gewerkschaften, die Interessen der Arbeitnehmer durch gewerkschaftlich organisierten Kampf und Streik zu vertreten, Fesseln anlegt.

Aber gibt es einen anderen Weg, um die Kampfkraft zu entfalten, die dem zerstörerischen Wirken der Unternehmensleitungen und Eigentümer in den Arm fallen kann?

Wird nicht ein solcher Kampf die erforderliche Kraft entwickeln können, um von Landes- und Bundesregierung mit Nachdruck die politische Entscheidung und Maßnahmen für eine staatliche Garantie des Erhalts aller Arbeitsplätze einzufordern?

Und kann nicht nur auf diesem Wege für politische Entscheidungen der Regierungen für die Reorganisierung der Produktion Druckmaschinenindustrie unter staatlicher Kontrolle, auf der Grundlage des Erhalts aller Arbeitsplätze gekämpft werden - unter Rückgriff auf die Vermögen der Eigentümer und – wenn nötig - unter Einsatz staatlicher Finanzhilfen?

Carla Boulboullé


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