Die Redaktion der Zeitschrift „Soziale Politik und Demokratie“ lädt alle Leser und Leserinnen ein zur Diskussion über den Alarmaufruf:

Schröder muss gehen!

Am 10. Juli beschlossen auf einer Veranstaltung der regionalen Redaktion unserer Zeitung in Köln „SPD-Mitglieder, Gewerkschafter, traditionelle SPD-Wähler und Anhänger der Partei“, sich mit einem „Alarmaufruf“ an alle SPD-Mitglieder, SPD-Ortsvereine und -Gremien, die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD (AfA), an Arbeitnehmer und Gewerkschafter zu wenden: „Es ist unerträglich, tatenlos zuzusehen, dass die Partei endgültig in die Katastrophe geführt wird… Wir lehnen es ab, dass jetzt ein unfassbarer sozialer Rückschritt über uns hereinbrechen soll… Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber wir sind der festen Überzeugung, dass es keinen anderen Ausweg aus der Krise der Partei, keine andere Möglichkeit für einen Kurswechsel zu einer wirklich sozialdemokratischen Politik gibt, als zu sagen: Schröder muss gehen – ob er will oder nicht…“

Der „Alarmaufruf“ hat eine engagierte Diskussion unter SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen ausgelöst. Alle teilen die Sorgen, die die Kölner InitiatorInnen zu diesem „Alarmaufruf“ veranlasst haben. Über 100 haben bisher diese Initiative mit ihrer Unterschrift unterstützt.

Einige GenossInnen haben in Briefen an die Redaktion oder in Diskussionsbeiträgen die Frage aufgeworfen, ob nicht mit der Entfernung Schröders aus der Regierung die Gefahr der Neuwahlen und des Verlustes der Regierungsposition heraufbeschworen werde und eine jahrelange erneute CDU-Regierungsherrschaft drohe, mit einer noch schlimmeren Politik der sozialen Zerstörung? Sie schlugen vor, sich auf die Forderung „Kurswechsel sofort“ zu konzentrieren.

Doch ist es nicht tatsächlich so, dass Gerhard Schröder mit seiner Politik des beispiellosen sozialen Kahlschlags die SPD in eine katastrophale Wahlniederlage nach der anderen treibt, dass er mit seiner „Reform“politik immer mehr Regierungspositionen in Ländern und Kommunen verspielt und der CDU/CSU 2006 – oder auch schon früher – den Weg zur Macht bahnt? Und wer kann hinnehmen, dass eine SPD-geführte Regierung das Land in den sozialen Verfall führt, den Sozialstaat zerstört und 15 Jahre nach dem Sturz der Mauer die Spaltung zwischen Ost und West wieder vertieft?

Über 10 Millionen traditionelle SPD-Wähler haben am 13. Juni der SPD die Stimme verweigert, weil sie die Agenda-Politik von Schröder zutiefst ablehnen, Gerhard Schröder erklärte nach dieser verheerenden Niederlage vor dem Unternehmerverband: „Ich kann…, ich will nur diese Politik weiterführen.“

Das macht die Diskussion darüber notwendig, wie der Kurswechsel möglich sein soll: Müssen wir nicht mit allen unseren Kräften dafür handeln, „Schröder abzulösen, um ihn daran zu hindern, seine zerstörerische Offensive weiter zu führen?“ (Alarmaufruf)

Hat Oskar Lafontaine nicht recht, wenn er sagt: „Wenn die Politik geändert werden soll und die Spitze nicht will, muss sie gehen“? (Spiegel-Interview vom 9. 8. 04)

Gibt es einen anderen Weg zu einem wirklichen Kurswechsel? Wie anders kann das schändliche Gesetz Hartz IV beseitigt werden? Und wie die Rückkehr der bürgerlichen Parteien an die Regierungsmacht verhindert werden?

„Die SPD hat einen anderen Auftrag, als Schröders Politik der Agenda 2010 zu stützen“, eine Politik, für die sie von den sozialdemokratischen WählerInnen kein Mandat hat. „Wir haben Vertrauen in die SPD und ihre lange Tradition, so dass wir glauben, die SPD kann sozialdemokratische Politik machen“, antworteten die Initiatoren des Aufrufs „Schröder muss gehen…“ auf ihrer Pressekonferenz am 9. August in Köln.

Dagegen geben alle Kräfte, die zur Gründung einer „Wahlalternative / neuen Linkspartei“ für 2006 aufrufen, Schröder freie Hand bis 2006. Sie behindern den vereinten Kampf der ArbeitnehmerInnen, GewerkschafterInnen und SozialdemokratInnen für Schröders Abgang, um damit den Weg frei zu machen für eine SPD-geführte Regierung, die sofort erste Maßnahmen zur Verteidigung und Wiederherstellung der Errungenschaften des Sozialstaates einleitet.

Es geht heute darum, dafür zu handeln, dass das Nein des Volkes, der sozialdemokratischen Mitgliedermehrheit zu Schröders „Reform“politik eine Perspektive findet in der Ablösung Gerhard Schröders und seiner Führungsmannschaft aus der Regierung – für den sofortigen Kurswechsel und entsprechende SPD-Vertreter in der Regierung und der SPD-Führung. Und in der Verpflichtung der SPD-Bundestagsabgeordneten, umzusteuern und zu dem Wahlauftrag der SPD 2002 zurückzukehren, in dem an erster Stelle Hartz IV zurückgenommen wird, sowie die ersten Maßnahmen eingeleitet werden für die Aufhebung der Gesundheits“reform“ und der Rentenkürzungen, für die Ost-West-Angleichung und Wiederherstellung der einheitlichen Flächentarifverträge. Für diesen Kampf wurde von SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen die Initiative „Schröder muss gehen“ ergriffen.

Ist nicht Oskar Lafontaine zuzustimmen, wenn er aufruft, dass sich diejenigen in der SPD, die den jetzigen Kurs für falsch halten – und das ist die Mehrheit ! – „zusammenschließen, um diese Veränderungen durchzusetzen“?

Es haben sich SPD-Mitglieder zu Wort gemeldet, die den Vorschlag von Oskar Lafontaine auf der Veranstaltung in Stuttgart (s. Bericht S. 13) aufnehmen wollen: „Anträge in ihren Ortsvereinen und Parteigremien zu verabschieden: die derzeitige Politik der Regierung Schröder ist falsch und wird vom Volk abgelehnt. Wenn die Verantwortlichen ihre Politik nicht ändern wollen, müssen sie gehen.“

Wenige Wochen vor den Kommunalwahlen in NRW, den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen rufen die Initiatoren des „Alarmaufrufs“ auf, zu den SPD-KandidatInnen zu gehen, damit sie ihre Ablehnung der Agenda-Politik erklären. Sie rufen auf, die KandidatInnen zu unterstützen, die sich für diese Ablehnung und die Verteidigung der sozialdemokratischen Grundwerte aussprechen.

 „Unterzeichnet den Aufruf! Versammeln wir die große Kraft, die es für den Kurswechsel in der SPD und der Arbeitnehmerschaft gibt!“ schlagen die Initiatoren des „Alarmaufrufs“ vor. Sie nehmen den Vorschlag der Konferenz von Halle „Für die wirkliche soziale Einheit Deutschlands“, zu der SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen auf der Grundlage des Chemnitzer Manifestes am 17. April eingeladen hatten, auf, eine weitere bundesweite Konferenz im Oktober vorzubereiten.

 Die Redaktion »Soziale Politik & Demokratie« hat auf ihrem Treffen im August die hier aufgeworfenen Fragen, zum Teil auch kontrovers, diskutiert. Der „Alarmaufruf“ wurde mehrheitlich unterstützt. Es wurde gleichzeitig beschlossen, mit der Zeitung ein freies Forum für die Diskussion zu geben.

  In dieser Nummer sind erste Beiträge und Stellungnahmen zu der Initiative des „Alarmaufrufs“ zusammengefasst. Sollten wir nicht die Initiative für eine Konferenz im Oktober zu diesen Fragen und Zielen aufnehmen? Wir laden alle Leser und Leserinnen ein, schreibt uns Eure Meinung und Positionen.

Carla Boulboullé

 

ALARMAUFRUF an alle SPD-Mitglieder, an alle Ortsvereine, alle Gremien der Partei und die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD (AfA), an Arbeitnehmer und Gewerkschafter - Schröder muss gehen

Zur Webseite

www.alarmaufruf-schroeder-muss-gehen.de