Soziale Politik & Demokratie

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Gewerkschaft muss Gewerkschaft bleiben!

Die Zeitschrift »Soziale Politik & Demokratie« öffnet ihre Seiten unter der Losung “Gewerkschaft muss Gewerkschaft bleiben!” einer notwendigen politischen Diskussion unter Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen.

Als politische Diskussion ist sie ausgerichtet auf die Frage, wohin sollen die Gewerkschaften gedrängt werden, wohin gehen die Gewerkschaften?

Zu den Texten "Gewerkschaft muss Gewerkschaft bleiben"

Die im DGB zusammengeschlossenen unabhängigen freien Gewerkschaften – und die mit ihnen erkämpften sozialen Errungenschaften – sind in Gefahr. Sie aber bilden den historischen Grundpfeiler der nach 1945 konstituierten und aufgebauten demokratischen Republik und sozialen Demokratie. Von allen Seiten mehren sich die Angriffe auf die sozialen Errungenschaften der ArbeinehmerInnen und ihre Gewerkschaften, auf die Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte.

Den jetzt von den Lokführern der GdL, außerhalb der DGB-Gewerkschaften, beschlossenen Streik nahmen Unternehmervertreter und Arbeitsgerichte zum Anlass für einen Frontalangriff auf das von der Verfassung garantierte Streikrecht der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer.

Das ist ein weiteres Beispiel für die Tendenz, die Gewerkschaften zu zwingen, sich einem Allgemeinwohl gegenüber zu verpflichten, das die unabhängigen Forderungen der Arbeiterschaft ebenso zurückweist, wie den Arbeitskampf, den Streik als wirkungsvolles Mittel zu ihrer Durchsetzung.

Die EU will die Gewerkschaften grundsätzlich von ihrer Aufgabe der unabhängigen Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen abbringen und sie in Organe verwandeln, die im Rahmen des “sozialen Dialogs” und der “Sozialpartnerschaft” die politischen EU-Richtlinien des Sozialabbaus, der Deregulierung des Arbeitsrechts und der Flexibilisierung/Zersetzung der gewerkschaftlichen Tarifverträge, der Privatisierung und Arbeitsplatzvernichtung “sozial gestaltend” zu begleiten.

Die Deregulierung und Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, die Tarifflucht jeder Art, die Privatisierung des öffentlichen Dienstes und die soziale Demontage zersetzen und demontieren die einheitlichen sozialen Errungenschaften und Rechte der Arbeiterschaft und ihrer Gewerkschaften, die Flächentarifverträge, und stellen die Gewerkschaften als Garanten dieser Rechte und des Tarifvertragssystems infrage.

Die freien unabhängigen Gewerkschaften wurden nach 1945 auf der Grundlage der Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie sowie im Rahmen der mit dem einheitlichen Sozialstaatsgebot verbundenen sozialen Errungenschaften aufgebaut. Zusammengeschlossen unter dem Dach des DGB, wurden sie nach dem Prinzip von Industrie- bzw. Branchengewerkschaften gebildet.

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Die Unabhängigkeit der Gewerkschaftsorganisation gründet in der Unabhängigkeit der Interessen der Arbeitnehmer und deren gewerkschaftlichen Vertretung vom Unternehmer, von Staat, Regierung, Parteien und Religion. In diesem Sinne sind sie, auch und besonders hinsichtlich ihrer Finanzen, der Verwaltung der Streikkassen etc. gegnerfrei. Die Unabhängigkeit von Religion und Parteien gibt den Gewerkschaften in Deutschland nach der gegenseitigen Respektierung der Unabhängigkeit von Gewerkschaften und Sozialdemokratie, der gewerkschaftlichen und politischen Arbeiterorganisationen um 1906 den Charakter von Einheitsgewerkschaften.

Die politische Demokratie erkennt das Recht der Arbeitnehmer auf unabhängige Vertretung ihrer spezifischen Interessen durch ihre Organisationen an, als Interessen einer eigenständigen gesellschaftlichen Klasse, die sich von den Interessen der anderen unterscheiden und ihnen entgegengesetzt sind. Das Recht auf unabhängige Gewerkschaften ist deshalb ein Grundpfeiler der Demokratie, der politischen und sozialen Demokratie. 

Die Einzelgewerkschaften gründen auf der organisierten Vertretung der einheitlichen kollektiven Interessen aller Beschäftigten einer Branche usw. Gewerkschaften sind deshalb die zentrale Organisation, mit der die Arbeitnehmerschaft für sich ihre Positionen formuliert und die vom Kapital, den Regierungen und sonstigen Institutionen geschürten Konkurrenz- und Spaltungsversuche zurückweist. Auf der Basis der innergewerkschaftlich gebildeten unabhängigen Forderung schließen Gewerkschaften Tarifverträge ab. Sie sind sowohl Kompromiss, als auch Ausdruck der vertraglichen Anerkennung des Rechts auf unabhängige Organisation und Tarifvertrag im Rahmen der politischen Demokratie.

Die Tarifverträge werden in Deutschland vor allem im einheitlichen nationalen Flächentarifvertrag abgeschlossen und garantiert. 

Die volle Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie sind verbunden mit der Freiheit und dem Recht der Gewerkschaften auf Tarifverhandlungen und Tarifvertragsabschluss und der Respektierung von dessen Verbindlichkeit für alle Beschäftigten der entsprechenden Branche. Die unabhängige Interessenvertretung, die unabhängige Verhandlungs- und Vertragsfreiheit und Organisationskraft der Gewerkschaften gründen auf dem Streikrecht. Verwirklicht wird dieses Streikrecht auf der Basis der einheitlichen Organisierung der Arbeitnehmer und der daraus resultierenden Mächtigkeit der Organisation, die die Mittel besitzt, die Forderung durchzusetzen. 

Der DGB vertritt satzungsgemäß unabhängig die gemeinsamen Interessen aller in den Einzelgewerkschaften organisierten Arbeitnehmer, die gemeinsamen Interessen der gesamten Arbeiterschaft gegenüber der Regierung und dem Staat. 

Unsere unabhängigen Gewerkschaften sind heute durch eingangs benannte Politik von EU und Regierung und das entsprechende Handeln der Arbeitgeber in ihrer Existenz bedroht. 

Diese Bedrohung hat sowohl eine nationale, als auch eine internationale Dimension. Die Urteile gegen die rumänischen Bergarbeitergewerkschafter um Miron Cozma zeigen, dass die Existenz der Gewerkschaften heute – im Europa der EU – nach wie vor unmittelbar durch Verbot und Unterdrückung gefährdet ist. Gewerkschafter sehen sich gegenwärtig aber nicht überall mit Verhaftungen, der Zerschlagung ihrer Organisationen etwa nach dem faschistischen Muster ihrer Auflösung in staatliche Zwangsinstitutionen usw. konfrontiert. 

Die zentrale Bedrohung ist der Versuch der korporatistischen Integration unserer Gewerkschaften in die “soziale Mitgestaltung” der Entscheidungen von Politik und Arbeitgebern. 

Wir verstehen uns vor diesem Hintergrund als eine politische Initiative, zur Verteidigung der Gewerkschaften, ihrer Unabhängigkeit, ihres Charakters als Arbeiterorganisationen. Wir sind in diesem Sinne in keiner Weise Ersatz oder Konkurrenz für die existierenden Gewerkschaften. Ebenso wenig zu den bestehenden politischen Parteien der Arbeiterschaft.

Als eine erste Initiative erscheint es uns erforderlich, in den Gewerkschaften einzugreifen für die Verteidigung der Unabhängigkeit und Einheit unserer DGB-Gewerkschaften gegen ihre Bedrohung durch die von der ver.di-Führung ohne jedes Mandat angekündigte “Tarifunion” mit dem Deutschen Beamtenbund (dbb). 

Verantwortlich: H.W. Schuster (SPD, AfA-Unterbezirksvorsitzender, ver.di-Vertrauensmann)