Internationale Arbeitnehmerverbindung

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Interview mit dem rumänischen Gewerkschaftsführer Miron Cozma nach 8 Jahren Gefängnis

Miron Cozma, endlich in Freiheit, meldet sich zu Wort!

Wie ist es zu erklären, dass seit 1990 die Regierungen Iliescu, Constantinescu und Basescu nacheinander Miron Cozma viele Jahre mit größter Unerbittlichkeit hinter Gitter gesperrt haben? Augenscheinlich haben alle versucht, auf ihn einzuwirken. Denn in ihm sahen sie einen Verantwortlichen, der durch ein außerordentlich starkes Netz von Gewerkschaftsorganisationen einen großen Einfluss bei den Arbeitnehmern besaß. Die Arbeiter, die tief in ihren Gewerkschaften verwurzelt waren, sicherten deren Unabhängigkeit, indem sie sie über ihre Beiträge finanzierten. 

Miron Cozma führte nicht allein die Organisation der Bergleute im Schiltal, sondern koordinierte auch zwei nationale Gewerkschaftsorganisationen: die Vereinigung der Bergbaugewerkschaften von Rumänien und die Konvention Santa-Barbara. Die Konvention Santa-Barbara führte drei Gewerkschaften auf nationaler Ebene zusammen. Der heutige Gewerkschaftsbund Meridian ist daraus hervorgegangen. Dieses Gewerkschaftsnetz erfasste 75% von Rumänien. In Timisora z.B. koordinierte Miron Cozma über die Gewerkschaftsallianz auf Bezirksebene die Gewerkschaften im Handel, der Brauereien, der Bauindustrie. Auf nationaler Ebene waren die Eisenbahnergewerkschaften, mit Ausnahme der von Brasov, Mitglied dieser Organisation, ebenso wie die Gewerkschaft der Bukarester Metro, die Gewerkschaft der Bauindustrie und des Gesundheitswesens. Alle zusammen standen ungefähr für anderthalb Millionen Mitglieder (1): Eine starke Gewerkschaftsbewegung, aufgebaut auf einer sozialen Plattform, die z.B. auch die Schaffung einer gewerkschaftseigenen Sparkasse beinhaltete. 

Miron Cozma wurde am 14. Juni 2005 in der Folge einer entschlossenen internationalen Kampagne befreit, in der die Internationale Verbindung der ArbeitnehmerInnen und Völker (IAV) ihren vollen Platz einnahm.

Am 12. September soll Miron Cozma nun erneut vor Gericht.

 INTERVIEW

 Frage: Warum gab es die unerbittliche Verfolgung Deiner Person?

 M. Cozma: Ich war gewohnt, die Leute am Arbeitsplatz zu besuchen und mit ihnen zu diskutieren, um zu sehen, was wirklich ihre Probleme waren. Aus diesem Grund haben sie mich geschätzt. Wir hatten im Programm unserer Gewerkschaft vorgesehen, beispielsweise einen Fernsehsender aufzubauen. Noch heute sendet das öffentlichen Fernsehen im Schiltal mithilfe der Stationen, die der Gewerkschaft der Bergarbeiter gehören und die sie ihm ausgeliehen hat.

 Das alles hat die Politiker erschreckt. Sie haben mir alle möglichen Angebote gemacht, wie z.B. die Ernennung zum Innenminister, und viele andere, auch finanzieller Art. Aber ich habe abgelehnt. Ich bin der Überzeugung, dass in Rumänien unabhängige Gewerkschaften existieren können, die nicht politisch unterworfen sind. Und ich habe nie versucht und nie gewollt, mich in irgendeine Art von politischem Beziehungsgeflecht zu stürzen. Man hat mir z.B. vorgeworfen, das Regime von Iliescu unterstützt zu haben. Das ist nicht wahr. Das Iliescu-Regime hat im Jahre 1992 die Anklage wegen der Ereignisse von 1991gegen mich fabriziert. Ich hatte den Rücktritt der Regierung wegen der zu dieser Zeit begangenen Grausamkeiten gefordert. 46 Bergleute wurden durch Schüsse verletzt. Damals sind Leute gestorben. Und es waren weder Miron Cozma, noch die Bergleute, die sie getötet haben. Ich habe jeden Kompromiss abgelehnt. Ich wollte nicht diejenigen verraten, die mich gewählt hatten und mir Vertrauen entgegenbrachten. Und das also war der Beginn eines Krieges mit Gerichtsverfahren gegen mich.

Sie haben Anklagen mit allen möglichen Begründungen erhoben. Absolut alle politischen Regimes seit 1990 haben meinen Namen benutzt. Noch mehr hat Iliescu ihn für die Bedürfnisse seiner Wahlkampagne genutzt. Er hat die Wahlen im Jahre 2000 gewonnen, als ich im Gefängnis war. Er hat angekündigt, dass er mich befreien würde, während ich aufgrund der von seinen Leuten vorbereiteten Anklagen im Gefängnis saß.

 Frage: Zuletzt hat man Dir vorgeworfen, Verbindungen zu der Großrumänien-Partei (PRM) gehabt zu haben.

 M. Cozma: Ich wiederhole, ich habe immer an die Idee einer freien Gewerkschaftsbewegung geglaubt, die nicht politisch gebunden ist. Vadim Tudor, der Präsident dieser ausländerfeindlichen und extremistischen Partei, hat auch versichert, dass er – wenn er an der Macht sei – mich freilassen würde. Die Spekulationen sind ins Kraut geschossen. „Cozma ist Mitglied der PRM, er ist ein Parteigänger der PRM, usw.“ Es ist nicht mir anzulasten, dass nach meiner Verhaftung mein Anwalt Senator der PRM wurde. Ich konnte und kann nicht Mitglied der PRM sein. Die Bergleute waren machtvoll, weil sie geeint waren und weil es keine ethnischen Spaltungen unter ihnen gab. Man hat uns nicht als erstes als Rumänen, Zigeuner, Ungarn, Juden, Deutsche oder als andere Nationalitäten angesehen. Wir waren zuerst und vor allem Bergarbeiter, Arbeitskollegen, dort unten, untertage (…). Ich kann nicht ausländerfeindlich sein, ich kann mich nicht mit einem solchen Individuum (wie Corneliu Vadim Tudor) verbinden. Aber die politische Klasse hat, um mich zu diskreditieren, vor allem im Ausland die Erklärungen von Vadim Tudor benutzt.

 Frage: Du hast für Deine Überzeugungen teuer bezahlt…

 M. Cozma: Ich weiß nicht, wie viele Rumänen ins Gefängnis gehen würden, um nicht auf ihre Prinzipien verzichten zu müssen. Selbst wenn ich 8 Jahre Gefängnis hinter mir habe, bleiben meine Prinzipien unverändert. Das sind Prinzipien, die ich in den 70er Jahr formuliert habe, in den Jahren, in denen die Bergarbeiter in Rumänien gegen Ceausescu protestiert haben, Proteste, an denen ich teilgenommen habe. Vielleicht haben die, die es vorzogen, mich zu inhaftieren, und ihre politisch extrem korrumpierte Klasse Angst gehabt, dass ich diese Prinzipien auf politischer Ebene anwende. Dass sie erleben würden, wie die von mir geführten Gewerkschaften eine politische Partei gründen und dass diese Partei an die Macht gelangen könnte. In Europa gibt es viele Parteien, die mit den Gewerkschaften verbunden sind. Dennoch wollte ich mich nicht auf diesem Weg engagieren.

Nach acht Jahren im Gefängnis habe ich mich entschlossen, die Gründung einer Partei zu unterstützen. Nicht um mich politisch zu rächen, sondern weil ich, seit ich aus dem Gefängnis heraus bin, jeden Tag Leute treffen, die mich darum bitten, ihnen zu helfen, eine Lösung für ihre Situation zu finden. Die Leute bitten mich, nicht aufzuhören und weiter zu kämpfen.

 Frage: Eine politische Partei wäre also eine Lösung?

 M. Cozma: Ja, aber nur, wenn man dabei eine Partei für die vielen Armen im Blick hat. Alle bestehenden Parteien wurden auf der Basis von Privat- oder Gruppeninteressen gegründet. Sie sind korrumpiert. Die öffentlichen Gelder werden benutzt, um diese Interessen zu bedienen. Sie gelangen nicht dorthin, wo sie notwendig wären, und das, obwohl die Armut immens ist. Dasselbe geschieht mit den Geldern der Europäischen Union.

Dennoch gibt es einen Artikel in der Verfassung Rumäniens, den Artikel 43, der vorsieht, dass der Staat verpflichtet ist, der Bevölkerung ein anständiges Leben zu sichern. Das ist es, wofür ich gekämpft habe und weiter kämpfen werde, weil es bis heute nicht verwirklicht ist. In Wirklichkeit gibt es eine verallgemeinerte Plünderung, die Spiele von Finanzpyramiden, Bankenzusammenbrüche… immer im Interesse der Politiker. Trotzdem hoffen die Leute weiter, und bei den Diskussionen mit ihnen habe ich gemerkt, dass sie eine Partei brauchen, eine Partei der Arbeiter. Wir sind alle Arbeiterkinder. Ich habe auch als Arbeiter angefangen, genauer, als ungelernter Arbeiter. Ich habe alle Stufen der Hierarchie durchlaufen, bis ich im Jahre 1977 Ingenieur wurde.

Ich will, dass das in aller Klarheit bekannt wird: Die Arbeiterpartei, die wir in Rumänien aufbauen wollen, wird die Prinzipien der Plattform der Internationalen Arbeitnehmerverbindung (IAV) aufnehmen. Ich werde meine Kollegen in dieser Organisation in den verschiedenen Ländern weiter um Rat fragen, um ausgehend von den Interessen der Arbeitnehmer in Rumänien und der ganzen Welt die beste Formulierung zu finden. Das gilt unabhängig von meinem Respekt, den ich für den Rest meines Lebens für die Kollegen der IAV behalten werde. Ich will noch einmal, auf diesem Weg, der IAV und meinen Kollegen danken, die zu ihr gehören. Ich habe ihnen schon als ich das Gefängnis verließ eine Nachricht geschickt, um ihnen zu sagen, dass sie wirklich meine Brüder sind. Denn sie waren auf meiner Seite, als das am schwersten war.

Menschen, die ich in meinem Leben nie kennen gelernt habe, praktisch Fremde, haben es geschafft, sich nicht durch die Offensive der Medien in Rumänien gegen mich täuschen zu lassen. Sie haben sorgfältig die Tatsachen analysiert, haben festgestellt, dass ich meine Pflicht erfüllte, indem ich mein gewerkschaftliches Mandat respektiert habe. Ich will ihnen danken und ich hoffe, dass ich es bald direkt durch meine Aktivität tun kann. Ich will überallhin gehen, wo Kampagnen für mich geführt wurden, um öffentlich deutlich zu machen, was ich gefühlt habe, im Gefängnis, als meine Brüder aus der Arbeiterbewegung an meiner Seite waren, und um zu zeigen, dass sie das nicht zur Unrecht gemacht haben.

 Frage: Was kann am 12. September passieren, am Ende des nächsten Prozesses zu den Ereignissen von 1999? Glaubst Du, dass Du wieder ins Gefängnis geworfen werden kannst?

M. Cozma: In Rumänien ist alles möglich. Dass sie es gewagt haben, eine Veruntreuungsaffäre mit den Camataru-Brüdern (2) in Szene zu setzen, – mit denen ich niemals eine Verbindung hatte –, um mich nach der Begnadigung im Dezember 2004 wieder zu verhaften, zeigt, sie sind zu allem fähig (…). Ich habe bereits für lächerliche Anklagen wegen der Ereignisse von 1991 achtzehn Jahre Gefängnis bekommen. Und was z.B. die Anklage zur Untergrabung der Staatsmacht angeht, wurde ich wegen Vergehen gegen den Eisenbahnbetrieb verurteilt. Diese Sanktionen können eigentlich nur gegen Eisenbahnangehörige verhängt werden. Ich wurde zu 14 Jahren Gefängnis wegen „falscher Signalanbringung“ verurteilt. Ich habe noch mal 12 Jahre für „Nichterfüllung von Arbeitspflichten“ bekommen. Darüber hinaus haben sie noch einmal 10 Jahre daran gehängt wegen „Trunkenheit am Arbeitsplatz“. Das ist wirklich lächerlich. Was für eine Art Justiz ist das?

Aber wenn das Gesetz befolgt wird, habe ich wegen des 12. September keine Angst. Ich halte mich, was die Ereignisse des Jahres 1999 angeht, für unschuldig. Ich kann beweisen, dass diese Ereignisse durch und durch von Politikern inszeniert wurden, um dem IWF und der Weltbank die Probleme von Rumänien vorzuführen und um Geld für den Beginn des Haushaltsjahres zu fordern… Dieser Prozess liegt dem Obersten Kassationsgericht der Justiz (3) vor, weil meine Kollegen und ich dagegen Rechtsmittel eingelegt haben.

Das Berufungsgericht hat mich zu zehn Jahren verurteilt und meine Kollegen Constantin Cretan, Romeo Beja, Dorin Lois, Vasile Lupu und Ionel Ciontu jeweils zu fünf Jahren. Da die Staatsanwalt keine Berufung eingelegt hat, kann ich zu nicht mehr als 10 Jahren verurteilt werden. Weil es sich darüber hinaus um ähnliche Fakten handelt, wie die, für die ich schon zu 18 Jahren verurteilt wurde, das heißt wegen Untergrabung der Staatsmacht, müssen die Strafen entsprechend dem rumänischen Gesetz mit der schwereren Strafe zusammengelegt werden, für die ich begnadigt wurde. Selbst wenn die Strafe von 10 Jahren in Kraft bleibt, habe ich schon 8 Jahre im Gefängnis verbracht, also mehr als zwei Drittel der Strafe. Das gibt mir das Recht auf eine bedingte Freilassung. Trotzdem können sie machen, was sie wollen, einschließlich der Anwendung der vollen Strafen, weil wie gesagt in Rumänien alles möglich ist.

 Frage: Wie ist die Situation Deiner Kollegen?

 M. Cozma: Für sie ist die Situation sehr ernst. Wenn meine Kollegen nicht freigesprochen werden, wie wir es weiterhin fordern, oder wenn zumindest nicht die Anklage der „Untergrabung der Staatssicherheit“ in „Störung der öffentlichen Ordnung“ umgewandelt wird, für die ein älteres Gnadendekret existiert, werden sie ins Gefängnis gehen müssen. Sie waren bisher keinen Tag im Gefängnis, und das wird für sie sehr schwierig werden. Die rumänischen Gefängnisse sind sehr hart. Deshalb bitte ich auf diesem Wege meine Kollegen, meine Brüder der IAV, sie zu unterstützen. Dieses Mal sind sie es, die wirklich Unterstützung benötigen.

 Das Interview wurde geführt von

Florin Constantin

 (1) In Rumänien war der gewerkschaftliche Organisationsgrad im Industriebereich und im öffentlichen Bereich immer sehr hoch. Weil die von Miron Cozma koordinierten Gewerkschaften so wichtig sind, setzte er sich in den Jahren 1994 und 1995 als rumänischer Arbeitnehmervertreter bei der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) durch.

 (2) Nutzu und Sile Camataru, altbekannte Anführer der Zigeuner-Mafia.

 (3) Neuer Name des Obersten Gerichtshofes.

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