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Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts 

Berlin, die Hauptstadt des vereinten Deutschlands, verurteilt zum Absturz in den sozialen Abgrund

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteilsspruch klar gestellt:

Berlin soll verurteilt werden zum radikalen Kahlschlag gegen alle sozialen und demokratischen Lebens- und Arbeitsbedingungen der arbeitenden Bevölkerung und Jugend.

Die Hauptstadt des vereinten Deutschlands kann keinen bundesstaatlichen Beistand für seinen Landeshaushalt beanspruchen, wenn es nicht bereit ist zum Verkauf des gesamten öffentlichen Vermögens, des kommunalen Eigentums, der städtischen Wohnungen .... ; zu verschärftem Personal- ­und Lohnabbau im Öffentlichen Dienst; zu weiteren drastischen Kürzungsmaßnahmen gegen Schulen, Unis, Krankenhäuser usw.

Berlin wird aus der rechtlichen und sozialen Einheit der Republik herausgebrochen und soll „alleingelassen“ in eine Art europäische Region verwandelt werden, unter der direkten Fuchtel des europäischen Stabilitätspaktes und seiner Haushaltskonsolidierung. 

Es ist verurteilt, zur entrechteten Armenregion zu werden. 

Wer will leugnen, dass das Gericht mit diesem Urteil das Verfassungsprinzip des solidarischen Föderalismus aushebelt und ersetzt durch einen unerbittlichen Wettbewerbsföderalismus; dass es das Verfassungsgebot der Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse liquidiert?

Wer will leugnen, dass sich das Bundesverfassungsgericht zum Instrument der EU macht und die vom EU‑Stabilitätspakt diktierte Politik der Haushaltskonsolidierung umsetzt?

Merkel will auf dieses Urteil gestützt für die Große Koalition die Weichen stellen für die Unterwerfung der gesamten Republik unter den Maastrichter Vertrag, den EU‑Stabilitätspakt und die Aufsplitterung Deutschlands in EU‑Regionen.

Mit Berlin als Präzedenzfall werden die Weichen gestellt für die Zersplitterung Deutschlands in EU-Regionen, die in den Wettlauf um Lohn- und Sozialdumping, um Privatisierung, um den „billigsten“ Kranken, den „billigsten“ Schüler und Studenten... gegeneinander getrieben werden 

Mit „ganz strikter Haushaltspolitik“

Berlin kaputt sparen? 

Wowereit beklagt sich über das Urteil, „das keine Solidarität vom Bund und den anderen Ländern einfordere und Berlin allein lasse“. Und er verkündet in seiner Regierungserklärung: „Ein hemmungsloser Wettbewerbsföderalismus ist mit uns nicht zu machen.“ Und was nun7

Gleichzeitig bekräftigen die Koalitionspartner Wowereit (SPD) und Wolf (PDS) ihre gemeinsame Absicht, eine „ganz strikte Haushaltspolitik“ und eine „konsequente Konsolidierungspolitik“ fortzusetzen.

Was aber kann das anderes heißen als die konsequente Fortsetzung der Kürzungen, der sozialen Demontage, der Auslieferung der staatlichen Aufgaben an die Privatisierung?

Und das alles für die strikte Bedienung der 2,45 Milliarden Euro jährlichen Schuldzinsen, sowie die Knebelung des Haushaltes für das Ziel, den 61 Milliarden Euro Schuldenberg abzutragen! D.h. eine Stadt und ihre BürgerInnen werden bis zum letzten Blutstropfen ausgepresst, um die Banken und Spekulanten zu bedienen,

Dafür will der SPD/PDS-Senat das Besoldungssystem für Beamte radikal umgestalten – hin zur „leistungsgerechten Bezahlung“. Er hatte schon in seiner ersten Regierungszeit eine Pilotfunktion übernommen, als es darum ging, Berlin aus dem einheitlichen Besoldungs- und Dienstrecht für Beamte raus zu reißen, als es darum ging, Berlin aus dem einheitlichen Flächentarifvertrag im Öffentlichen Dienst, dem BAT, raus zu brechen.

Dafür sollen die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes weitere Einkommenskürzungen hinnehmen, nachdem sie schon den bisherigen Solidarpakt, dessen Verlängerung über 2009 hinaus der SPD/PDS-Senat erzwingen will, mit 8-12% Einkommensverlust bezahlt haben. Weitere 150 Millionen sollen bei ihnen „eingespart“ werden,

Dafür will der Senat weitere Kürzungen und den Abbau von Arbeitsplätzen im Öffentlichen Dienst, flächendeckend in der ganzen Stadt und besonders in den landeseigenen Betrieben der öffentlichen Daseinsvorsorge fortsetzen, planen sie weitere Kürzungen und Privatisierungsschläge gegen die Universitätsklinik Charité. Die Krankenhausplanung soll einem „wettbewerbsorientierten Krankenhausmarkt mit leistungsbezogener Finanzierung der Krankenversorgung“ unterworfen werden.

Um die Banken bedienen zu können, verweigern sie die Einstellung der notwendigen LehrerInnen und die Aufhebung aller Kürzungsmaßnahmen, wie die Wiederherstellung der Lehr- und Lernmittelfreiheit. Im Gegenteil, im Namen der „Eigenverantwortung“ drängen sie die Schulen zur Einstellung nichtausgebildeter Kräfte als Ersatz für die fehlenden qualifizierten Lehrkräfte.

Um die Banken zu bedienen, sinkt der Senatszuschuss für den öffentlichen Nahverkehr pro Jahr um ca. 60 Millionen. Der SPD/PDS‑Senat unterwirft alle öffentlichen Einrichtungen dem privatwirtschaftlichen Wettbewerb – ganz im Geist von Wolf (PDS), der mit den „staatswirtschaftlichen Strukturen“ aufräumen will.

Wir stellen fest: Diese Schulden sind nicht die der Bevölkerung. Sie sind die Folge der Streichung der Bundeshilfe, die von 1991 bis 1994 von 7,4 auf 2,8 Milliarden Euro reduziert wurde, der Entindustrialisierung durch die Treuhand, der Senatspolitik der Privatisierung, d.h. der systematischen Plünderung des öffentlichen Haushalts in die Kassen der Privatwirtschaft, des im „Bankenskandal“ geplünderten öffentlichen Landesvermögens zur Bereicherung windiger Spekulanten; der Ausblutung der öffentlichen Haushalte durch Steuerverweigerungen und -befreiungen für Konzerne, Banken und große Vermögen. 

Es gibt nur einen Ausweg –

Streichung der Schulden und Schuldzinszahlungen 

Wir fragen: Kann es einen Ausweg geben ohne Annullierung der Schulden als auch der Schuldzinszahlungen von 2,45 Mrd. Euro jährlich, die in die Kassen der Banken und Spekulanten fließen – während den Krankenhäusern Gelder entzogen werden, den Schulen, Kitas und Unis, dem Nahverkehr, den Wohnungen…?

Ist die Streichung der Schulden und Schuldzinszahlungen nicht zu einer Überlebensfrage für die Stadt geworden?

Kein SPD‑Verantwortlicher, kein SPD‑Abgeordneter hat das Recht, die Politik der bisherigen Senatszusammenarbeit von SPD und PDS mit einem verschärften „Weiter so“ fortzusetzen.

Ihr habt nicht das Recht, im Namen der SPD die Anforderungen des EU‑Stabilitätspaktes, die Privatisierungen und die soziale Demontage umzusetzen.

Die Menschen dieser Stadt wollen leben!

Verzweifelte Schüler und Eltern gehen immer wieder auf die Straße für mehr Lehrer, damit Schluss ist mit dem Unterrichtsausfall, und für den Stopp der Schulschließungen.

Die Studenten fordern einen Studienplatz für alle, die studieren wollen, und dessen volle Finanzierung aus dem Haushalt, während z.Z. bei 130.000 Studenten nur 79.000 Studienplätze, wenn nicht weniger, finanziert werden. 

Beschäftigte der öffentlichen Betriebe und Einrichtungen, wie z.B. der Charité und BVG, fordern die Respektierung des einheitlichen Flächentarifvertrages für alle Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes und der Öffentlichen Daseinsvorsorge, einschließlich der Ausgegliederten; keine Ausweitung der Niedriglohnjobs, wie sie im Rahmen des „Öffentlich geförderten Beschäftigungssektors“ z.B. bei der BVG geschaffen werden sollen; Umwandlung der Ein‑Euro‑Jobs in sozialversicherungspflichtige Normalarbeitsverhältnisse im Rahmen des Tarifvertrags des Öffentlichen Dienstes.

Kranke befürchten, dass sie sich eine verantwortliche Gesundheitsversorgung in den auf Kostensenkung und Rentabilität orientierten Krankenhäusern, die in die Privatisierung getrieben werden, nicht mehr leisten können.

Die Mieter fürchten, die kommunalen Wohnungen nicht mehr bezahlen zu können, wenn diese zukünftig 250 Mio Euro Rendite erwirtschaften sollen. Das ist die Auslieferung des sozialen kommunalen Wohnungsbestands an den Markt.

Die BürgerInnen brauchen die Rücknahme aller Kürzungen und die volle Ausfinanzierung der öffentliche Einrichtungen, der Charité, der Krankenhäuser und kommunalen Wohnungen der BVG und S‑Bahn, und den Stopp ihrer Auslieferung an den Wettbewerb. Sie haben ein Recht auf eine qualifizierte Gesundheitsversorgung, auf bezahlbaren Nahverkehr, Wasser…­

Ihr habt nicht das Recht, die Stadt noch weiter in den Ruin zu treiben. Ihr habt die Pflicht, die Schulden und Schuldzinszahlungen zu streichen, es gibt keinen anderen Weg.

 Es geht um das Überleben von Berlin, es geht um die Zukunft des gesellschaftlichen Lebens in Berlin und in der gesamten Republik, um die Demokratie!

 Unterzeichnet von SozialdemokratInnen und GewerkschaftskollegInnen in Berlin

 Kontaktadresse: Carla Boulboullé, Fax: 030-3131662, E-Mail: carla.bouboulle@t-online.de